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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden
Autoren: Simon Halo
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ein fremdes Auto. Egoisten! Die denken nur an sich. Die denken nicht an die, die dann weiter leben müssen … mit diesem traumatischen Erlebnis.«
    »Die denken nicht!«, erwiderte Thomas. Er hielt den Augenkontakt aufrecht, wartete auf weitere Informationen. Doch die Schwester schaute nur erstaunt und schlug dann mit ihrer Hand auf den Tisch:
    »Sie haben völlig recht! Die denken nicht! Sonst würden die sich nicht umbringen!«
    Thomas erkannte zum ersten Mal ein Anzeichen von Respekt ihm gegenüber. Die bisher eher teilnahmslose Mimik seines Gegenübers hatte sich verändert.
    »Kannten Sie die Person?« Er zog seine Augenbrauen hoch. Das machte er selten. Eigentlich nur dann, wenn er es sehr eilig hatte.
    »Wen meinen Sie?«
    »Der Selbstmord!«
    »Ach so. Ja. Sie müssen entschuldigen. Die Nachtschicht, die Überstunden. Dann diese falschen Beipackzettel.« Die Schwester zog den Stuhl näher an den Schreibtisch, streckte ihren Oberkörper. »Es ist Professor Arndt. Sie kennen sicher seine Privatklinik. Der Nebenbau hier.«
    Thomas stutzte. »Professor Arndt hat sich umgebracht?«
    »Das sind die Gerüchte! Ist noch nicht lange her.« Die Schwester schluckte hörbar. »Jedenfalls ist er tot. Im Computertomographen. Total verstrahlt. Die Jutta, eine Kollegin, hat ihn vorhin gefunden. Die Arme. Er muss schrecklich ausgesehen haben.«
    »Ist das etwa die Maschine, die damals in jeder Zeitung stand – die ihn berühmt gemacht hat?« Thomas war sichtlich irritiert.
    »Genau die! Sie können sich bestimmt daran erinnern, warum jeder von diesem Ding gesprochen hat.« Die Schwester schnaufte, wartete aber nicht die Antwort des Kommissars ab. »Das Gerät ist besonders schonend – minimale Röntgenstrahlung. Nicht vergleichbar mit den üblichen Tomographen. Zu Tode gestrahlt in der eigenen, eigentlich nicht strahlenden Röhre. Die Medien werden sich darum reißen … so wie bei den vermissten Kindern!«
    »Gibt es eigentlich mehrere von diesen Maschinen?«
    »Bestimmt! Mit dem Erlös aus seinen Patenten wurde hier ja alles renoviert.« Die Schwester wurde leiser. »Wir alle haben ihm sehr viel zu verdanken!«
    Thomas nickte. Dann schreckte ein erneuter Schlag auf den Tisch ihn aus seinen Gedanken.
    »Vielleicht ist es ja Mord! Ein Konkurrent, der die Maschine manipuliert hat! Wer vertraut denn jetzt noch der Technik des Professors?« Ihre Augen funkelten. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann?«
    »Danke für Ihr Angebot … das nehme ich sehr gerne wahr!« Thomas wusste, dass dieser Satz immer gut ankam. In jedem Menschen schlummerte ein Detektiv. Jeder glaubte in solchen Fällen, entscheidende Dinge beitragen zu können. Viele seiner Kollegen sagten diesen Satz auch – aber sie meinten es nicht wirklich ernst. Thomas sah das anders. Er wollte jede Information in sich aufsaugen. Sein Gehirn war schließlich leistungsstark genug, um selbst belanglose Details lange zu speichern. Das Ergebnis: unzählige Puzzlestücke, die er immer wieder abrufen und neu kombinieren konnte.
    »Meine Schicht ist in einer Viertelstunde zu Ende.« Die Schwester strahlte. Sie wirkte um mindestens zehn Jahre verjüngt. »Wir können dann nach Frau Kraft schauen. Und danach bringe ich Sie zu Ihren Kollegen … zum Tatort.«
    »So machen wir das.« Thomas schaute sie lange an. »Danke, Schwester Beate!«

30
    Der Scheinwerfer riss eine helle Schneise in die Dunkelheit. Gekonnt steuerte Alexander das Schneemobil durch die weiße Hügellandschaft. Auf einer größeren Anhöhe stoppte er. Der starke Schneefall der letzten Wochen hatte zwar viele Orientierungspunkte regelrecht begraben, doch hier war er richtig. Genau hier zog es ihn immer hin, wenn er diese seltsame Leere in sich spürte. Heute kam tiefe Trauer hinzu – und Schmerz. Er schaute ein letztes Mal auf das beleuchtete Armaturenbrett und stellte den Motor ab.
    Dunkelheit. Stille.
    Er stieg ab, ging einige Schritte. Dann ließ er sich fallen. Sterne – und Schnee; links von ihm, rechts von ihm, unter ihm. Alexander schloss die Augen.
    Er spürte die Kälte um sich und er fühlte die Wärme in sich. Leben. Er wollte einfach nur leben, atmen, fühlen. Und er wollte niemals vergessen – nicht seinen Vater. Fotos bedeuteten ihm nicht viel. In seinem Kopf, da wollte er sich die typischen Gesichtszüge seines Vaters in Erinnerung behalten. Dort konnte er sie jederzeit abrufen.
    Jetzt schaute er nach oben, rief sich die Sternbilder vor Augen, die ihm sein Vater vor langer Zeit erklärt
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