Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst
Autoren: Jens Lapidus
Vom Netzwerk:
Besteck auf dem Teller zurecht. Ganz langsam.
    Dann grinste er und sagte: »Ey, Jorge, hast du etwa Pläne?«
    Jorge wusste nicht, wie er reagieren sollte. Er grinste einfach zurück.
    Hoffte, dass Rolando ein echter Freund war, einer, der ihn nicht im Stich ließ.
    Gleichzeitig wusste er: Freunde im Knast unterliegen einer anderen Ordnung.

2
    Vier junge Männer saßen in einem Wohnzimmer und bereiteten sich aufs Ausgehen vor.
    JW mit nach hinten gegeltem Haar. Nun ja, ihm war bewusst, dass eine Menge Prolos seine Frisur verachteten; sie nannten sie Kotelettentolle, während ihre Blicke gehässige Züge annahmen. Aber diese Kommunisten hatten eben keinen Durchblick, also warum sollte er sich etwas daraus machen.
    Der Nächste hatte ebenfalls nach hinten gekämmtes und gegeltes Haar. Typ Nummer drei trug einen kürzeren Style; die Haarsträhnen in dichter Struktur angeordnet, mit einem sorgfältig ausgemeißelten, exakt ausgerichteten Seitenscheitel, der die Frisur durchschnitt. Der klassische New-England-Look. Die Haare des letzten Typen waren blond, mittellang, lockig, mit zerzaustem Charme.
    Alle Jungs im Raum waren hellhäutig und aus gutem Hause. Reine Züge, gerader Rücken, aufrechte Haltung. Sie wussten, dass sie Biss hatten. Jungs mit Durchblick. Sie wussten, wie man sich kleidet, wie man sich benimmt, wie man angemessen auftritt. Sie hatten den Dreh raus, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Bräute an Land zu ziehen. Jederzeit Zugang zu den angenehmen Dingen des Lebens zu erhalten – Tag und Nacht.
    Die allgemeine Stimmung im Raum: aufgeheizt. Wir wissen, wie man richtig feiert, da kann nichts schiefgehen.
    JW dachte: Was für ein irrer Abend. Die Partylaune der Boys ist spitze.
    Den Drink vorweg nahmen sie wie immer bei Putte, dem Typen mit dem Seitenscheitel. Sein Domizil, eine schmucke Zweizimmerwohnung mit zweiundfünfzig Quadratmetern, lag in der Artillerigata und war ein Geschenk von Puttes Eltern zu seinem zwanzigsten Geburtstag vor zwei Jahren. JW kannte seine Familie. Der Vater: ein Finanzmann, der sich im Stenbeck-Imperium unaufhörlich nach oben diente und überzählige Mitarbeiter nach unten kickte. Die Mutter: alter Geldadel. Die Familie besaß noch heute Häuser verteilt über halb Stockholm sowie ein fünfhundert Hektar großes landwirtschaftliches Anwesen in Sörmland. Wie es sich gehörte.
    Sie hatten gerade fertig gegessen. Die Frigolitverpackungen standen noch draußen auf der Küchenanrichte. Takeaway vom Texas Steakhouse in der Humlegårdsgata. Ein exquisiter Tex-Mex mit ordentlichem Fleisch.
    Jetzt saßen sie auf den Sofas und kippten ein paar Drinks.
    JW wandte sich dem lockigen Typen mit dem Spitznamen Nippe zu und fragte: »Sollten wir uns nicht langsam auf den Weg machen?«
    Nippe, der mit richtigem Namen Niklas hieß, schaute JW verwundert an. Antwortete mit seiner hellen Teenagerstimme: »Wir haben einen Tisch für null Uhr gebucht, also kein Grund zur Eile.«
    »Okay, dann können wir ja in Ruhe noch einen Whisky-Cola trinken.«
    »Und wann genehmigen wir uns die andere Cola?«
    »Haha, guter Witz. Immer mit der Ruhe, Nippe, wir ziehen uns das Zeug erst dort rein, dann hält es länger vor.«
    Das Briefmarkentütchen mit den vier Gramm brannte in JW s Jackettinnentasche. Die Boys kümmerten sich jeweils reihum darum, fürs Wochenende etwas zu besorgen. Die Lieferungen kamen von einem Einwanderertypen, der wiederum von irgendeinem Jugo-Gangster kaufte. JW wusste nicht genau, wer der Häuptling war, vermutete aber, der berüchtigte Radovan
himself.
    JW verkündete: »Boys, für heute Abend hab ich richtig zugeschlagen. Ich hab vier Gramm dabei. Das macht mindestens ein halbes Gramm für jeden von uns, und noch ein wenig mehr, um die Mädels einzuladen.«
    Fredrik, der andere Typ mit den gegelten Haaren, nahm einen Schluck von seinem Drink. »Kapiert ihr eigentlich, was dieser Türke an uns und unserer Gang verdienen muss?«
    »Er scheint jedenfalls zurechtzukommen.« Nippe grinste. Tat so, als rechnete er Scheine.
    JW fragte in die Runde: »Was glaubt ihr, wie hoch ist seine Marge? Zweihundert per Gramm? Hundertfünfzig?«
    Die Diskussion verlagerte sich hin zu anderen, alltäglicheren Gesprächsthemen. JW kannte sie inzwischen auswendig. Gemeinsame Freunde. Bräute. Moët & Chandon. Gewisse Dinge gehörten einfach zum Standard. Nicht, dass sie keine anderen gemeinsamen Bezugspunkte hätten, sie waren ja schließlich keine Proleten, sondern verbal wohlerzogene Siegertypen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher