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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst
Autoren: Jens Lapidus
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vertreten. Die Demarkationslinien klar: Rasse, Vorort, Art des Verbrechens. Die rassistischen Gangs hielten sich an keine Regeln. Die schweren Jungs waren Mitglieder der Hells Angels, Bandidos, Jugos und der OG . Von außen organisiert. Sie leisteten ganze Arbeit. Tätigkeitsbeschreibung eindeutig:
    Mit multikriminellen Aktivitäten richtig viel Schotter verdienen, der wiederum der Gang zugutekommt.
    Es waren dieselben Gangs, die außerhalb der Mauern in der Stadt herrschten. Heutzutage machten es eingeschmuggelte Handys im Mikroformat so leicht wie das Herumzappen zwischen den Fernsehkanälen mit der Fernbedienung. Die Gesellschaft konnte ebenso gut gleich kapitulieren.
    Jorge hielt sich von ihnen fern. Er kam einigermaßen zurecht. Fand dennoch Freunde. Entdeckte gemeinsame Berührungspunkte. Chilenen waren okay. Die Gegend von Sollentuna auch. Die meisten Koksbeziehungen ebenso.
    Er hing oft mit Rolando, einem Latino aus Märsta, zusammen. Der Typ war 1984 aus Santiago nach Schweden gekommen. Wusste mehr über Schnee als ein Gaucho über Pferdemist – war aber selbst noch nicht völlig gezeichnet vom Koks. Musste noch zwei Jahre absitzen, nachdem er Kokainpaste in Shampooflaschen geschmuggelt hatte. Dufter Typ. Jorge hatte schon von ihm gehört, als er noch in Sollentuna wohnte. Das Beste: Rolando hatte Kontakte zu den Typen der OG . Das eröffnete natürlich Möglichkeiten. Führte zu Privilegien. Brachte erhebliche Vorteile mit sich. Zugang zu Handys, Hasch, wenn man Glück hatte Koks, Pornoheften, Schnaps. Mehr Zigaretten.
    Jorge zog es zu der Gang. Doch er war sich auch der Gefahr bewusst. Du bindest dich. Machst dich angreifbar, vertraust ihnen – und schließlich lassen sie
dich
auffliegen.
    Er hatte nicht vergessen, wie sie ihn damals verpfiffen hatten. Die Jugos hatten ihn hochgehen lassen. Ihm diesen Prozess angehängt. Er hockte nur wegen dieses Radovans im Knast – dieser verpisste Schwanzlutscher.
     
    Sie saßen oft im Speisesaal und quatschten. Er, Rolando und die anderen Latinos. Keine Spanier. Denn es bestand die Gefahr, dass die Gangmitglieder von ihren eigenen Leuten misstrauisch beäugt wurden. Unterhalt dich gern mit deinen Landsleuten und hab Spaß – aber nicht so, dass
sie
nichts mitkriegen.
    Heute: Noch gut zwei Wochen, bis der Plan anlaufen sollte. Er musste den Ball flach halten. Es war unmöglich, eine Flucht auf eigene Faust durchzuziehen, aber bislang hatte er noch nicht mal Rolando eingeweiht. Jorge musste erst rausfinden, ob er ihm trauen konnte. Musste ihn irgendwie testen. Checken, wie sicher ihre Freundschaft eigentlich war.
    Rolando: Ein Typ, der sich für den härteren Weg entschieden hatte. Um Mitglied bei den OG zu werden, reichte es nicht, Koks in rauen Mengen zu importieren. Du musstest außerdem imstande sein, demjenigen, den dein Anführer für einen aufgeblasenen Typen hielt, die Scheiße aus dem Leib zu prügeln. Rolando hatte seine Lektion gelernt: Die Tätowierungen entlang der Narben an seinen Knöcheln sprachen eine deutliche, aggressive Sprache.
    Rolando nahm einen Löffel Reis. Sprach Rinkebyschwedisch mit vollem Mund: »Weißt du, Paste hat nur Vorteile im Gegensatz zu normalem Puder. ’n Zwischenprodukt sozusagen, nicht fertig. Man steigt auf. Muss nicht mehr mit den Typen auf ’er Straße dealen. Verstehst du? Du machst Geschäfte mit smarten Typen. Leuten, den’ die Bullen nicht bei jedem Schritt auf ’n Fersen sind. Und außerdem, is’ viel leichter zu verschicken. Staubt nicht so verdammt und leicht zu verstecken.«
    Auch wenn Jorge inzwischen schon sämtliche spinnerten Ideen Rolandos zur Genüge gehört hatte, war der Knast eine Schule der Extraklasse. Jorge aufnahmefähig für alles. ’Ne Menge gelernt. Zugehört. Wusste bereits vieles, bevor er reingewandert war. Aber jetzt, nach fünfzehn Monaten in Österåker, kannte er die Branche in- und auswendig.
    J-Boy: stolz auf sich. Er hatte den Überblick über den gesamten Kokainimport von Kolumbien über London nach Schweden. Wo man das Zeug kauft, die aktuellen Preise, den Vertrieb, welche Zwischenhändler man einschaltet, wo man es wieder verkauft. Wie man es streckt, ohne dass die Fixer es spitzkriegen, und wie man es mischt, ohne dass die Kunden von Stureplan etwas merken. Wie es abgepackt wird. Wen man bestechen muss und wen man besser meidet, mit wem man sich gut stellen sollte. Einer der Letztgenannten: Radovan. Verdammter Arsch.
    Der Speisesaal war ein idealer Ort für private Gespräche.
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