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Spür die Angst

Spür die Angst

Titel: Spür die Angst
Autoren: Jens Lapidus
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dann auf Jorge gestoßen. Er hatte sich ziemlich rausgeputzt, hab ihn kaum wiedererkannt. Sie müssen wissen, dass er ganz schön runtergekommen war, als wir noch miteinander zu tun hatten.
    Staatsanwalt – Und was sagte er?
    Zeuge – Dass es ziemlich gut läuft. Ich hab ihn gefragt, was er so macht. Er antwortete, dass er ordentlich Knete mit Koks macht. Er meinte natürlich Kokain. Da ich aber damit aufgehört hab, wollte ich nichts mehr davon hören. Doch er prahlte munter drauflos. Hat erzählt, dass er alles in einem Lager südlich der Stadt verwahrt. Ich glaub, er sagte auf Skärholmen. Dann hab ich ihn gebeten, mit dem Geschwätz aufzuhören, weil ich den Mist nicht mehr hören konnte. Das hat ihn natürlich geärgert. Er meinte, ich soll mich verpissen, oder so.
    Staatsanwalt – Er wurde also böse?
    Zeuge – Ja, er wurde ziemlich sauer, als ich ihm sozusagen verklickerte, dass er Scheiße redete. Vielleicht kam er deswegen auf die Idee, dass ich etwas mit diesem Lager zu tun haben könnte.
    Staatsanwalt – Sagte er noch mehr über den Lagerraum?
    Zeuge – Nein, er hat nur gesagt, dass er sein Kokain darin verwahrt. Und dass er auf Skärholmen liegt.
    Staatsanwalt – Ja, danke. Dann habe ich keine weiteren Fragen an Sie. Danke, dass Sie hergekommen sind.

Teil 1
    1
    Jorge Salinas Barrio lernte die Regeln des Spiels schnell.
Numero uno
in Kurzform: Quatsch niemals dummes Zeug. Etwas ausführlicher konnte er sie an fünf Fingern abzählen. Gib niemals Widerworte. Starre niemals zurück. Bleib immer sitzen. Verpfeife niemanden. Und schließlich: den Schließern immer schön in den Arsch kriechen – ohne aufzumucken. Bildlich gesprochen.
    Das Leben schiss auf Jorge. Das Leben war zum Kotzen. Das Leben war tough. Doch Jorge war tougher – sie würden es schon sehen.
    Der Knast raubte ihm die Energie. Nahm sein Lachen.
Rap-life
verwandelt in
Crap-life.
Aber, was nur er wusste, war, dass es ein Ende gab, eine Idee, die auf ihre Umsetzung wartete, einen Ausweg. Jorge: der Typ, der nicht unterzukriegen war. Er musste raus, aus diesem Scheißloch abhauen. Er hatte einen Plan. Und der war verdammt gut.
    Loser – adios.
    Ein Jahr, drei Monate und neun Tage im Knast. Will heißen: Fünfzehn Monate zu viel hinter einer sieben Meter hohen Betonmauer. Jorges längste Zeit hinter Gittern bis jetzt. Vorher hatte er immer nur kurz gesessen. Drei Monate für Diebstahl, vier Monate für Drogenmissbrauch, Fahren mit zu hoher Geschwindigkeit beziehungsweise ohne Führerschein. Der Unterschied dieses Mal: Er musste sich hier drinnen irgendwie ein Leben einrichten.
    Österåker war ein sogenanntes B-Gefängnis, eine geschlossene Haftanstalt zweiten Grades. Spezialität: Leute, die wegen Drogendelikten verurteilt worden waren. Streng bewacht von beiden Seiten. Nichts und niemand kam unbehelligt rein. Drogenspürhunde schnüffelten an sämtlichen Besuchern. Metalldetektoren schnüffelten in sämtlichen Taschen. Die Aufseher erschnüffelten die allgemeine Stimmung. Schräge Typen brauchten sich gar nicht erst die Mühe zu machen. Hier ließen sie nur Mütter, Kinder und Rechtsanwälte rein.
    Und dennoch hatten sie keinen Erfolg. Die Anstalt war früher einmal drogenfrei gewesen – unter dem ehemaligen Chef. Heute hingegen wurden Beutel mit Gras per Katapult über die Mauern geschossen. Töchter, die eigentlich schon mit LSD zugedröhnt waren, fertigten für ihre Väter Skizzen an. Das Zeug wurde oberhalb der Deckenpaneele in den Gemeinschaftsräumen versteckt, wo die Hunde nicht rankamen, oder irgendwo unter der Grasnarbe auf dem Pausenhof vergraben. So dass praktisch jeder verdächtigt werden konnte.
    Viele kifften jeden Tag. Tranken danach fünfzehn Liter Wasser, bis ihre Urinproben unauffällig waren. Andere drehten sich Zigaretten mit Heroin. Meldeten sich krank und lagen zwei Tage lang auf dem Zimmer, bis die Pisse wieder rein war.
    Die Leute blieben lange in Österåker. Bildeten Gruppen. Die Schließer taten ihr Bestes, um die Gangs aufzulösen: Original Gangsters, Hells Angels, Bandidos, Jugos, Brödraskapet Wolfpack, Fittja Boys.
You name it.
    Viele Aufseher hatten Angst. Warfen das Handtuch. Nahmen Tausender an, die ihnen in der Essensschlange, auf dem Fußballplatz, in der Werkstatt zugesteckt wurden. Die Gefängnisleitung versuchte den Überblick zu behalten. Zu trennen. Die Mitglieder in andere Anstalten zu verlegen. Aber was spielte das schon für eine Rolle. Die Gangs waren sowieso in allen Gefängnissen
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