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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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verließ den Raum, und als sie mit einem Becher Wasser zurückkam, hatte sich Will über McKusick gebeugt, hielt seine Arme fest und sprach mit ruhiger Stimme auf ihn ein.
    »Trinken Sie«, sagte Helen und Will trat zur Seite.
    McKusick nahm den Becher in beide Hände.
    »Wir müssen mit Ihnen sprechen«, sagte Helen. »In der Polizeidienststelle.«
    McKusick sah sie abwesend an, dann nickte er.
    »Wir sollten jetzt gehen«, sagte Will ein paar Augenblicke später und bot an, ihm auf die Füße zu helfen.
    »Ich muss nur Bescheid sagen   … mein Chef   …«
    »Natürlich.«
    Der frühe Morgennebel hatte sich gelichtet und einen fahlen Himmel hinterlassen; der Wind war schwach für die Jahreszeit, und trotzdem fröstelte McKusick, als sie ihn zum Wagen führten.
     
    Zu Beginn einer Ermittlung arbeiteten die Kriminalbeamten je nach Motivation und Genehmigung von Überstunden beinahe rund um die Uhr: Uniformierte Polizisten halfen bei der Befragung der Nachbarn, zivile Angestellte legten Akten an, gaben Informationen in den Computer ein und suchten Querverweise. Als Leiter der Ermittlung war es Wills Aufgabe, mit Unterstützung des Büroleiters Prioritäten zu setzen und sicherzustellen, dass alle vernünftigen Hinweise verfolgt wurden. Jedes Vorgehen und alle taktischen Entscheidungen, die er traf oder billigte, wurden sorgfältig festgehalten.
    |28| Für manche war das eine Einladung, sich hinter einen Schreibtisch zu setzen, Organisationstalent und die Fähigkeit zum Delegieren zu demonstrieren und Superhirn zu spielen. Für Will aber war der Kern seiner Tätigkeit immer noch das, was draußen auf der Straße passierte, die persönliche Konfrontation mit Verdächtigen, das Fieber des aktiven Handelns. Wenn es notwendig wurde, war Helen eine außerordentlich fähige Stellvertreterin, das wusste er, aber zusammen, meinte er, konnten sie mehr erreichen als jeder für sich.
    Und diese ersten Tage waren entscheidend. Ohne Ergebnisse würde das Adrenalin nachlassen und die Anzahl der an der Ermittlung beteiligten Beamten würde verringert werden; irgendwann würde jemand geholt werden, der Will über die Schulter sah, ihm mitteilte, was ihm entgangen war, und darauf hinwies, wo die Ermittlung in die Irre gegangen war.
    Und genau das wollte er verhindern.
    Die Ergebnisse der Obduktion hatte man ihnen für den nächsten Morgen versprochen, zusammen mit der ersten Auswertung der Proben, die am Tatort genommen worden waren; bis dahin gingen die Beamten den Namen nach, die aus Stephen Bryans Notizbüchern und Briefen stammten, außerdem den Namen von Freunden oder befreundeten Kollegen, die seine Eltern oder Leute von der Universität erwähnt hatten.
    Aber zunächst war da Mark McKusick   …
    »Wie fandest du die Show?«, fragte Helen, sobald sie wieder im Büro waren und McKusick nicht mehr in Hörweite.
    »Du glaubst also, dass es eine Show war?«
    »Sich selbst ins Gesicht zu boxen.«
    »Er war aufgeregt   …«
    |29| »Was du nicht sagst.«
    »Außer sich.«
    »Hat aber darauf geachtet, Augen und Nase nicht zu treffen. Hast du das gemerkt?«
    »Er hatte gerade gehört, dass jemand ermordet wurde, der ihm etwas bedeutete. Was erwartest du?«
    »Ein bisschen mehr als Schauspielerei.«
    »Wenn es das war.«
    Über Helens Gesicht huschte ein Lächeln. »Hast du jemals beim Schultheater mitgemacht?«
    »Nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Warum?«
    »Ich war mal das weiße Kaninchen in ›Alice im Wunderland‹. Unser Lehrer war so ein wiedergeborener Hippie und hielt das Ganze für eine Art Drogenfantasie, die sich der gute alte Lewis Carroll auf einem Laudanumtrip ausgedacht hat oder was immer die Viktorianer genommen haben, um high zu werden. So wurde das jedenfalls inszeniert. Stroboskoplicht und Patschuli und jede Menge psychedelische Musik aus den Sechzigern. Grace Slick und Jefferson Airplane, weißt du. Die eine Pille macht dich größer, die andere macht dich kleiner.«
    »Grace wer?«, sagte Will.
    »Ist doch egal. Ich war vierzehn und hatte noch nie im Leben Drogen genommen. Mal abgesehen davon, hin und wieder am Joint von jemand anderem zu ziehen. Aber ich ließ das weiße Kaninchen so überzeugend durch seinen Amphetaminrausch hoppeln, dass am zweiten Abend ein Drogenberater nach der Vorstellung zu mir kam und praktisch darum bettelte, einen Termin zu machen.«
    »Und was willst du damit sagen?«
    »Dass vielleicht nur ein Fälscher eine Fälschung erkennen kann.«
     
    |30| Mark McKusick hatte sich das
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