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Splitter im Auge - Kriminalroman

Titel: Splitter im Auge - Kriminalroman
Autoren: PeP eBooks
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nicht.
    Nach zwei süßen Kaffee und einem eiligen Zigarillo saß Steiger eine Viertelstunde später zwischen einer Schulklasse und den üblichen Rentnern auf den Besucherbänken und wartete auf das hohe Gericht. Gärtner und Fennel vom KK 11 waren ebenfalls geblieben, sie redeten in der Reihe vor ihm mit einem Zeitungsmenschen, der kumpelhaft tat und sich zwischendurch Notizen machte. Der Staatsanwalt las irgendwelche Akten. Ihm gegenüber auf der Anklagebank flüsterte der Verteidiger mit professionell zuversichtlichem Gesicht auf den Dolmetscher ein, der zwischen ihm und seinem Mandanten saß und nach jedem Satz übersetzte. Bakary Yameogo hockte daneben, starrte auf seine Hände, und keine Reaktion verriet, ob er zuhörte. Bei der Festnahme vor fünf Monaten hatten sie einen Asyl suchenden Kleindealer erwartet, dann aber einen Feuer spuckenden Krieger vor sich gehabt, einen Fighter, der nur mit der Hilfe dreier Kollegen zu bändigen gewesen war. Jetzt saß er da wie ein Zootier, das sich noch an die Freiheit erinnern konnte, eingefallen, verwelkt und blass, obwohl das bei einem Mann aus Burkina Faso wie ein übler Glatzen-Scherz klang, ging es Steiger durch den Kopf.
    Die Tür hinter dem Richtertisch wurde geöffnet, und alle im Saal erhoben sich. Im Stehen und im Namen des Volkes verkündete der Vorsitzende kurz und schmerzlos, dass Bakary Yameogo wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt werde. Alle setzten sich. Steiger sah, wie der Dolmetscher dem Angeklagten etwas zuflüsterte, und fragte sich, ob es wohl ein Wort für »lebenslänglich« in Yameogos Sprache gab. Er beobachtete, wie dieser den Dolmetscher etwas zu fragen schien, der anschließend auf den Boden sah und nach einer Weile nickte.
    In der folgenden Sekunde verwandelte sich Yameogo wieder in den Kämpfer, den Steiger kannte. Er schrie, nahm seinen Stuhl und schleuderte ihn in die Mitte des Saales. Der Dolmetscher floh sofort Richtung Richtertisch, der Verteidiger versuchte seinen Mandanten zu beruhigen und fing sich einen unkontrollierten Schwinger, bevor die beiden Wachtmeister zur Stelle waren. Aber auch sie brachten ihn erst zur Strecke, als Gärtner und Fennel dazukamen und den Schwarzen professionell aufs Kreuz legten. Yameogo spuckte, schrie, ihm stand Rotz vor dem Mund, und er kämpfte wie um sein Leben. Nach zwei Minuten hatten sie ihn zu viert nach draußen verfrachtet, und allmählich kehrte wieder Ruhe ein. Der Verteidiger tupfte sich mit einem blauen Taschentuch das Blut von den Lippen, und für die Schüler war es eine solche Obergaudi gewesen, dass sie sich kaum beruhigen konnten. Einige ärgerten sich, es nicht mit dem Handy aufgenommen zu haben. Der Richter ermahnte sie zur Ruhe, fragte den Verteidiger, ob er einen Arzt brauche, aber der Mann winkte ab.
    Dann machte er mit der Urteilsbegründung weiter.
    In erster Linie stützte sich das Urteil darauf, dass nicht nur Yameogos Sperma überall in und an Caroline Thamm zu finden gewesen war, auch andere DNS - und Faserspuren ließen keinen anderen Schluss zu. Außerdem hatte das Opfer im Todeskampf den Täter gebissen, eine Wunde an seiner Hand passte zweifelsfrei zum Zahnschema des Mädchens. Das Motiv war ein sexuelles gewesen, alle Spuren am Körper der Fünfzehnjährigen hatten darauf hingedeutet und darauf, dass sie über mehrere Tage die Hölle erlebt haben musste.
    Wo das alles passiert war, wussten sie bis heute nicht, auch ein paar andere Fragen waren offengeblieben, trotzdem bestand kein Zweifel. Dieser afrikanische Asylbewerber war ein grausamer Mörder.
    Der Richter klappte die Akten zu, die Sitzung war geschlossen.

5
    Für September war es ziemlich warm an diesem Morgen. Die Sonne schien durch die Wolkenlücken, aber das Licht hatte nicht mehr die Brillanz des Sommers. Die Tische der Cafés waren um diese Zeit spärlich besetzt, und er wählte seine Position so, dass er die riesige Fläche des Kennedyplatzes, auf der sich die Leute verloren, im Blick hatte. Die Uhr zeigte kurz vor zehn, und bisher war es ein erfolgloser Tag gewesen. An den Haltestellen der Schulbusse war das übliche Durcheinander gewesen. Manchmal sah man sie in diesem Gewusel besonders gut, weil sie nicht Teil desselben waren, aber heute hatte er nichts Brauchbares entdeckt. Auch unter den Nachzüglern und Einzelgängern, denen, die immer allein hinterhergingen und Selbstgespräche führten, war kein Objekt gewesen.
    Jetzt war noch etwas Zeit, bis die Kaufhäuser öffneten und die ersten
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