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Splitter im Auge - Kriminalroman

Titel: Splitter im Auge - Kriminalroman
Autoren: PeP eBooks
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es an der seltenen Mischung, die ihm sein italienischer Vater und seine deutsche Mutter mit auf den Weg gegeben hatten, denn früher hatte er ausgesehen wie der junge Gregory Peck mit blauen Augen. Diese Kombination schien große Wirkung auf die weibliche Fantasie zu haben, und er war sich selten zu schade gewesen, bei deren Verwirklichung behilflich zu sein.
    Bis er 1992 Britta traf. Sie war blond, hübsch und an einer roten Ampel dem Vordermann ins Heck gefahren. Paul hatte den Unfall aufgenommen und sie ein Jahr später geheiratet. Und weil Britta die Erbin mehrerer Autohäuser war und ein Ehevertrag ihre uferlose Liebe in ihren Augen verraten hätte, war das, was er nach der Scheidung zehn Jahre später auf seinem Konto vorfand, selbst dann noch siebenstellig, als er die ihm zustehende Summe von sich aus auf ein Viertel reduzierte, um nicht als Schmarotzer dazustehen. Das hatte ihm selbst den Respekt seines Schwiegervaters eingebracht, der die Ehe seiner Tochter mit einem jungen Polizisten italienischer Herkunft von Anfang an für eine Schnapsidee gehalten hatte.
    Bei der Namensgebung hatte sich seine Mutter wie immer durchgesetzt, und so hieß er Paul statt Paolo, aber seit er vor zweiunddreißig Jahren in den Polizeidienst eingetreten war, nannten ihn alle, die ihn näher kannten, Batto.
    Steiger und Batto kannten sich exakt seit diesen zweiunddreißig Jahren. Sie hatten am selben Tag mit einem Koffer und zu langen Haaren vor dem Tor der Polizeischule gestanden, und weil die Zimmer nach Alphabet vergeben wurden, fanden sich Adam und Battaglino gemeinsam in einer der öden Stuben wieder. Das bedeutete, dass man von einem Tag auf den anderen auch bei den intimsten Dingen nicht mehr allein war. Man wusste, welche Geräusche der andere beim Schlafen machte oder wie oft er seine Unterhose wechselte. Für beide war das okay, sie mochten sich, verbrachten viel Zeit miteinander und hatten viel von dem blödsinnigen Zeug gemacht, das man in dem Alter so anstellt.
    Einmal hatten sie so viel süßen Likörwein gesoffen, dass sie beim Heimweg von der Kneipe bis zur Unterkunft eine rote Spur in den Schnee gelegt hatten. Immer, wenn sie später davon erzählten, mussten sie lachen und fühlten sich einander nah. Die Leute unterschätzten einfach die verbindende Wirkung, die solche Erlebnisse über die Jahre hatten, auch wenn es nicht nach einer großen Sache klang, sich in einer kalten Winternacht Seite an Seite die Seele aus dem Leib zu kotzen. Es war bei ihnen einfach so, dass jeder mit dem anderen über die richtigen Dinge reden konnte, von Anfang an, und dass jeder von beiden wusste, worüber man besser das Maul hielt.
    In der ersten Zeit hatte es noch Momente gegeben, in denen sich Steiger neben Batto gefühlt hatte wie das Grünzeug, mit dem man Blumensträuße auffüllt, damit die Blüten besser zur Geltung kommen. Aber Batto hatte ihn nie so behandelt. Nicht, weil er ein besonders edler Mensch gewesen wäre, eher schon, weil sich das bei einem guten Freund von selbst verbot, vor allem aber, weil er seine Attraktivität wie eine Alltagshose trug und ihm solche Dinge gar nicht auffielen.
    Um Viertel nach vier war Steiger auf dem Rückweg von Gelsenkirchen und rechnete nach, dass Battos Truppe an diesem Mittwoch Spätdienst haben musste. Er war nach dem Gerichtstermin noch einmal zur Residenz gefahren, um die Dinge für die Beerdigung zu regeln. Seinen Vater hatten sie schon in einen kühlen Raum im Keller verlegt, und er war noch einmal eine halbe Stunde bei ihm gewesen. Er hatte es für möglich gehalten, weinen zu müssen, aber es waren ihm keine Tränen gekommen. Er wusste nicht, was er davon halten sollte.
    Auf der Wache verarztete eine junge Kollegin einen Fahrraddiebstahl am Tresen, Batto saß in seinem Glaskasten hinter dem Wachtisch und erledigte irgendwelchen Papierkram. Er sah Steiger kommen, legte den Stift beiseite und lehnte sich zurück. »Ich habe das mit deinem Vater gehört«, sagte er. »Tut mir leid. Alles in Ordnung bei dir?«
    »Schon okay«, sagte Steiger und setzte sich auf die Schreibtischkante. »Ich war grad’ noch mal dort, hab’ ein paar Dinge geregelt. Er wird verbrannt.«
    »Verbrannt?«
    »Er wollte es so. Und dann im Meer verstreut.« Steiger zuckte mit den Schultern. »›Ich war lange genug unter der Erde, das brauch’ ich nicht mehr‹, hat er gesagt, solange ich denken kann.«
    »Warst du bei ihm, als er starb?«
    Steiger schüttelte den Kopf.
    »Habt ihr noch mal geredet,
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