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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt
Autoren: Bernwald Schneider
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bringen dich nach Hause.«
    Da sah ich in die Gesichter und ein Schreck fuhr mir in alle Glieder. Zwei dieser Visagen kannte ich. Es waren diejenigen, die sich nicht um den Pförtner kümmerten, sondern vielmehr grinsend und wie in Erwartung fetter Beute in meine Richtung stierten; der eine war Rattengesicht, der Drahtige, der andere sein tumber kräftiger Freund!
    »Ach nee, der Herr Rechtsanwalt«, hörte ich Rattengesichts säuselnde Stimme, die ich nicht mehr vergessen würde. »Was hast du denn hier zu suchen?«
    Wie konnte das sein? Wie kamen der Drahtige und sein Freund an diese Uniformen? Waren die Männer etwa keine Ganoven, sondern Polizisten?
    Im nächsten Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Die beiden waren Hilfspolizisten! Hatte ich nicht davon gelesen, dass seit ein paar Tagen die SA die Polizei verstärkte? Es war zwar kaum zu glauben, aber es stimmte. Ähnliches hatte ich ja bereits bei Judiths Geburtstagsfeier erlebt: Die deutsche Regierung hatte den Bock zum Gärtner gemacht!
    »Ich habe ihm nichts erzählt«, ließ sich zu allem Überfluss der Pförtner hören.
    Der Drahtige machte mit dem Kopf ein mir bekanntes Zeichen, daraufhin setzten sich die beiden Uniformierten, die den Pförtner in ihre Mitte genommen hatten, in Bewegung und schleppten ihn mit sich fort. Das letzte, das ich von ihm sah, war sein tief verängstigtes Gesicht.
    Der Drahtige und der Kräftige blieben bei mir zurück.
    »Was machst du hier?«, schnüffelte der Drahtige mich an.
    »Ich bin nur zufällig hier vorbeigekommen«, entgegnete ich und bemühte mich, Ruhe zu bewahren. »Ich nehme an, die Feuerwehr wird gleich eintreffen. Sie sollten sich um das Feuer kümmern.«
    »Schnauze! Das wird die Feuerwehr gleich machen!«, sagte der Mann und fasste mich am Mantelkragen. »Wir kümmern uns lieber um dich!«
    »Nimm deine Finger da weg und zeig mir zuerst einmal deinen Polizeiausweis!«
    Natürlich war mein Spruch ein Fehler, allerdings konnte ich es einfach nicht lassen, wenigstens einen Versuch von Gegenwehr zu starten. Die Antwort des Drahtigen ließ nicht lange auf sich warten. Er nahm die Hand weg und trat beiseite, um seinem Kumpan Platz zu machen, der mich daraufhin so, wie ich es schon von ihm kannte, mit beiden Händen an den Schultern fasste. Bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte, hob er sein rechtes Knie, um es mir mitten in den Bauch zu rammen.
    Die Luft blieb mir weg. Ich sackte zusammen, doch mein Gegner hielt mich mit seinen dicken Händen wieder fest und verhinderte so, dass ich auf das Pflaster fiel. Ich roch den alkoholisierten Atem des Mannes, dessen Gesicht mir ganz nahe gekommen war, und hörte, wie er, nachdem er bei unserer ersten Begegnung die ganze Zeit geschwiegen hatte, mit einer merkwürdig hellen und zu seiner sonstigen Erscheinung nicht passenden Stimme, zischte: »Reicht das? Oder sollen wir weitermachen? Und jetzt – schnell, schnell – deinen Namen!«
    Als ob du den nicht wüsstest!, dachte ich. Aber derlei Fragen gehörten wohl mit zu dem bösen Spiel. »Eugen Goltz«, brachte ich mühsam hervor.
    »Adresse?«
    Ich nannte sie ihm.
    »Was hat der Pförtner dir erzählt?«, fragte der Drahtige.
    Ich antwortete nicht. Postwendend bekam ich wieder keine Luft mehr, denn aufs Neue und noch heftiger bohrte sich das Knie meines Gegenübers in meine Magengrube.
    Mir war, als ob ich gleich ohnmächtig würde, doch dann bemerkte ich, dass mich die Kerle links und rechts unterm Arm gefasst hatten und mich von der Frontseite des Gebäudes wegzerrten, nach derselben Richtung hin, in die vor ein paar Minuten ihre Kollegen mit dem Pförtner entschwunden waren.
    Sowie ich wieder Luft bekam, registrierte ich, dass ein Feuerwehrwagen an uns vorbei die Auffahrt hinaufraste, diesem folgte gleich darauf ein weiteres Fahrzeug nach.
    Auch ein Polizeiauto war jetzt zu sehen; weitere Uniformierte irrten im flackernden Licht herum; ebenso Zivilisten, Passanten und Neugierige, die das Feuer anzog.
    Wir kamen ans Reichstagsgebäude, wo die Polizisten mich zu einem Seiteneingang schleppten.
    »Lasst mich los«, versuchte ich es erneut, allerdings entrang sich meinem Mund lediglich ein Krächzen. »Ich habe nichts und niemandem etwas getan. Das wisst ihr genau!«
    »Was solltest du denn auch getan haben?«, höhnte der Drahtige. In einem lichten Moment kam es mir, dass ich besser daran täte, den Mund zu halten.
    Einige Augenblicke später vernahm ich die Stimme meines Peinigers dicht an meinem Ohr. »Pass
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