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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt
Autoren: Bernwald Schneider
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einmal auf!«, sagte er. »Wenn wir gleich drinnen sind, halte besser keine dummen Reden mehr; jedenfalls nicht, wenn du heute mit heilen Knochen nach Hause kommen willst.«
    Gleich darauf befanden wir uns innerhalb des Gebäudes und gelangten über eine Treppe in den Wandelgang, der den großen Plenarsaal umgab.
    Inzwischen war ein Trupp Feuerwehrmänner im Haus und damit beschäftigt, durch ein Einstiegsfenster eine Schlauchleitung zu verlegen. Ich hörte eine Stimme rufen: »Verdammt, es hat einen Luftzug gegeben, eine Stichflamme. Der Plenarsaal bis rauf zur Kuppel brennt!«
    Meine Begleiter kümmerten sich nicht um das Feuer und die Feuerwehr, sondern gingen mit mir weiter in einen abseits gelegenen Teil der Halle, wo keine Feuerwehrleute zu sehen waren, dafür hatte sich dort eine Gruppe von Männern in ziviler Kleidung postiert. Darunter befanden sich zwei Polizeibeamte, die einen nur mit Hose und Schuhen bekleideten jungen Mann fest an den Armen hielten.
    Als wir uns der Gruppe näherten, warf mir der junge Mann mit dem unbekleideten Oberkörper einen verzagten Blick zu. Auch von den Männern wandten sich ein paar Gesichter zu uns herum. Während ich geflissentlich versuchte, die kalten Blicke, die mich streiften, zu ignorieren, löste der Anblick dieser Leute doch ein Gefühl der Verwirrung in mir aus, und ich fragte mich, was die Männer zu dieser Stunde hier taten.
    Konnten es Reichstagsabgeordnete sein? Nein, gewiss nicht! Der Reichstag war nach der Ernennung des neuen Kanzlers aufgelöst worden, hier hatte sich in den letzten Wochen gar nichts mehr abgespielt.
    »Wir bringen den Kerl rüber zum Revier am Brandenburger Tor«, hörte ich einen der Polizisten sagen. Er hatte von irgendwoher eine Decke erhalten, die er nun dem jungen Mann um die nackten Schultern legte. Dann setzte sich der ganze Trupp in Bewegung.
    »Wir haben noch einen geschnappt!«, rief der Drahtige den anderen hinterher. Bevor ich protestieren konnte, schoben er und sein Kumpan mich durch eine Tür, die sie zur rechten Seite öffneten. Sie stießen mich mit einer solchen Heftigkeit in den angrenzenden Raum hinein, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf den Boden stürzte.
    »Ich bin kein Brandstifter!«, rief ich, während ich mich aufraffte, und sowie ich wieder gerade stand, sah ich, dass einer der Männer in Zivilkleidung aus der kleinen Gruppe zurückgeblieben und uns in das Zimmer gefolgt war. Er schloss hinter sich die Tür. So waren wir nun zu viert.
    Der Raum war eine Art Schreibbüro, in dem mich die Polizisten auf einen Stuhl in der Mitte des Zimmers setzten. Der vierte Mann im Raum, der Zivilist, hatte einen Schreibblock in die Hand genommen und baute sich sogleich vor mir auf. Er war groß und hager und hatte ein blasses, bärtiges Gesicht. Es war mir, als hätte ich auch ihn schon einmal irgendwo gesehen.
    »Sie heißen?«, fragte er, nachdem er mich eine Zeit lang schweigend gemustert hatte.
    Da ich nicht sofort antwortete, versetzte mir mein kräftiger Begleiter einen schmerzhaften Schlag gegen den Oberarm.
    »Eugen Goltz.«
    »Anschrift! Alter! Beruf!«
    Der Kommissar in Zivil notierte sich alles. »Ein Rechtsanwalt! Na, da wird sich der Führer freuen. Durchsucht seine Taschen.«
    Mir wurde schlecht. Der Umschlag mit dem Foto vom Reichskanzler und dem Pharao befand sich noch immer in meinem Mantel!
    »Ich bin nur ein friedlicher Passant«, unternahm ich einen neuen Versuch. »Ihre Leute haben mich von der Straße weggefangen …«
    »Maul halten!«, schrie einer meiner gewalttätigen Begleiter und schlug mir ins Gesicht. »Du redest nur, wenn du gefragt wirst!«
    Sie hatten bereits begonnen, mich abzutasten und mich am ganzen Körper zu durchsuchen. Zusammen mit dem weiteren Inhalt meiner Hosen – und Jackentaschen landeten meine Brieftasche mit der Namensliste und der Umschlag mit dem Foto des Reichskanzlers vor dem hageren Kommissar auf dem Tisch.
    Dieser ließ die Gegenstände zunächst unberührt.
    »Warum sind Sie zum Reichstag gekommen?«, wollte er wissen.
    »Ich bin nicht zum Reichstag gekommen, sondern ich war auf Besuch bei meiner Schwester, die in der Nähe wohnt, und ich befand mich auf dem Nachhauseweg.«
    »Wie heißt diese Schwester und wo wohnt sie?«
    Ich nannte ihm die Adresse von Doris. Unterdessen blickte der Kommissar auf seine Notizen. »Hm«, überlegte er, »der Reichstag liegt nicht auf Ihrem Nachhauseweg!«
    Was er sagte, war nicht ganz falsch, aber ich hatte mich bewusst für einen
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