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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle
Autoren: Nina Schindler
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werkelten schweigend nebeneinander her, jeder war mit seinen Gedanken beschäftigt. Als wir mit den Küchenarbeiten fertig waren, sahen wir uns ratlos an.
    Er blies die Backen auf. Dann ließ er die Luft wieder raus.
    »Sag mal, haben wir hier einer Räuberbraut Quartier gegeben? Hab ich mit einer Bonnie - glücklicherweise ohne Clyde - am selben Tisch gesessen? Bin ich nur mit Ach und Krach einem Giftmord entkommen?«
    Er verdrehte theatralisch die Augen.
    Ich musste kichern.
    »Weniger Drama, bitte. Das alles ist ein Auswuchs von Globalisierung - alle sind mit allen verwandt, alle lieben einander, alle ärgern einander …«
    »… und alle wundern sich«, ergänzte er. »Du hast ja’n Knall! Globalität! Eigentlich schade, dass wir so wenig von Onkel Jochen wissen, was? Na ja, du hast ja wenigstens seine DVDs gekriegt …«
    »Psst!«, zischte ich ihn an. »Sag bloß nichts davon! Sonst kassiert Ljuba die alle ein, weil ich ihr rechtmäßiges Erbe rausrücken muss!«
    Er lachte. »Blödsinn. Wenn er dir den Kram vermacht hat, dann bleibt es dabei. So, und jetzt geh ich kicken.«

    Ich war mit Marlon verabredet.
    Er hatte auf meine SMS hin angerufen, aber er war todmüde gewesen und das Gespräch deshalb sehr kurz.
    In der Schule hatte ich ihm nur in Stichworten von unserem Drama gestern Abend erzählen können und jetzt war der ganze Roman fällig.

    Marlon lauschte gebannt, und ich durchlebte selbst noch einmal diese ungeheuerlichen Unterstellungen, mit denen Ljuba Papa konfrontiert hatte.
    »Stell dir bloß vor, und dann steht sie da wie eine Rachegöttin und sagt ihm, sie wäre seine wahre Tochter - mit Seitenblick auf mich: Ich wäre halt irgendein peinlicher Irrtum!«
    »Oh nein, Wahnsinn!« Mehr hatte Marlon dazu erst mal nicht zu sagen. »Und dann?«
    Ich schilderte die Szene mit dem Foto, als Papa dann die wahre Identität des Jünglings auf dem Foto aufdeckte, Ljubas Enttäuschung und meine unbeschreibliche Erleichterung, als ich nachträglich rehabilitiert wurde und meine Eltern sich gewissermaßen bei mir entschuldigten.
    »Mann, bin ich froh«, flüsterte ich ihm dann ins Ohr, weil wir mittlerweile ziemlich verknotet auf seiner Decke lagen. »Endlich glauben mir wieder alle!«
    »Ich hab dir immer geglaubt!«, flüsterte er zurück.
    Und dann flüsterten wir erst mal nicht mehr, sondern führten eine andere Art von Zwiegespräch, und zwar eins, das mir unglaublich gut gefiel.
    Ziemlich atemlos sagte Marlon dann: »Ich hab auch noch was für dich.«
    »Was denn?« Meine Gedanken rasten: Ein Geschenk? Ein Freundschaftsarmband?
    Es war aber ein ganz anderes Geschenk.
    Etwas viel, viel Schöneres.
    Auf dem Heimweg lächelte ich die ganze Zeit vor mich hin, so sehr freute ich mich.

    Den Abendbrottisch hatten die Zwillinge gedeckt.
    Ich staunte.
    Sie hatten die Plätze vertauscht: Ljubas Platz sollte
jetzt zwischen Papa und Daniel sein, Kris zwischen ihrem Bruder und Mama und Kathi zwischen Mama und mir sitzen. Und neben mir dann wieder Papa.
    Als Ljuba reinkam und die neue Sitzordnung sah, stutzte sie und dann wurde sie rot. Sie warf mir einen schnellen Blick zu, aber ich schüttelte den Kopf und wies mit dem Kinn auf Kathi.
    Da senkte sie den Blick.
    Schämte sie sich?
    Als Papa endlich auch da war, setzte er sich, machte aber keinen Kommentar zu der veränderten Sitzordnung.
    Es gab Spaghetti mit einem Pesto aus Walnüssen und Rucola - das ist so lecker, da könnte ich mich glatt reinsetzen. Vor lauter Gier kriegte ich auch nicht gleich mit, dass Papa redete.
    »… müssen wir entscheiden«, hörte ich noch.
    »Was?«, fragte ich mit vollem Mund.
    »Wegen der Ferien«, sagte Papa.
    »Ich wüsste erst mal gern, wie es heute auf der Polizei gelaufen ist«, fragte Daniel mutig.
    Alle schwiegen.
    Dann räusperte sich Ljuba. »Habe ich alles erzählt, dass ich Au-pair-Mädchen bei euch bin, dass ich Grigorij von Moskau kenne, dass er mir nachgereist ist, dass ich mich manchmal mit ihm getroffen habe. Abends, wenn alle denken, ich schlafe.«
    »Hört, hört«, murmelte Daniel, was ihm einen scharfen Blick von Mama einbrachte.
    »Dann haben die Beamten mich angerufen und ich habe für Ljuba gebürgt«, sagte Papa. »Es scheint, als wäre sie damit aus dem Schneider. Sie hat von der Messerstecherei nichts mehr mitbekommen, weil sie zu dem Zeitpunkt schon wieder zu Hause war, was inzwischen von einem Taxifahrer bestätigt worden ist. Der Tote ist
übrigens ein entfernter Verwandter von Grigorij. Hast du ihn
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