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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle
Autoren: Nina Schindler
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Computerecke, er hat auch noch eine Martial-Arts -Ecke und in der vierten steht sein Bett. Irgendwie hat er auch noch einen Kleiderschrank, eine Kommode und einen Ohrensessel in seinem Zimmer untergebracht. Das alles hätte wirklich im Gästezimmer keinen Platz, da passen nur Bett, Schrank, Tisch, Stuhl und Kommode rein.
    »Ich weiß nicht so richtig, wie ich es finden soll, dass wir noch jemanden ins Haus kriegen«, fuhr er fort. »Aber
Mama wird schon aufpassen, dass es eine ist, mit der wir gut klarkommen.«
    Daniel ist eigentlich ganz in Ordnung - soweit ein älterer Bruder in Ordnung sein kann. Meistens verstehen wir uns ganz gut und halten auch gegen die Kleinen und gegen unsere Eltern zusammen. Allein wären wir gegen die Übermacht oft verloren.
    Ich richtete mich auf und knallte die Tür der Spülmaschine zu. »Es ist ja nicht für ewig. Ich bin jedenfalls froh, dass wir Koopmanns unsere Bude irgendwann auch wieder allein bewohnen.«
    Prophetische Worte.
    Wenn ich damals gewusst hätte, was auf mich zukam, wäre ich bestimmt schreiend aus dem Haus gelaufen.
    Aber damals hatte ich null Ahnung, wusch und trocknete mir die Hände ab und stieg mit Tante Henny in meine Kemenate runter.
    Tante Henny heißt so, weil sie schon als Winzkatze dieses wunderschöne rotgelbe Fell hatte. »Wie Tante Henny«, hatte einer der Zwillinge andächtig festgestellt, und wir hatten alle gelacht, weil unsere uralte Tante Henny sich wirklich die Haare genauso hellrot färbt. Aber irgendwann ist der Name bei den anderen dann zu »Tanny« geworden, nur ich nenne sie noch »Tante Henny«, weil ich finde, dass das schöner klingt.
    Ich machte es mir mit ihr auf meinem Bett zwischen den fünfzehn Kissen bequem und überlegte, welchen Film ich einlegen wollte. Ich habe nämlich (wahrscheinlich als einzige Fünfzehnjährige in Bremen) keinen eigenen Fernseher (weil meine Eltern es wichtig finden, dass wir uns die Köpfe einschlagen, um uns auf ein Programm zu einigen), aber ich hab einen Laptop, auf dem ich DVDs abspielen kann.

    Ich bin nämlich ein Fan von alten Filmen. Früher hab ich mir von meinen Freundinnen (beziehungsweise deren Müttern) immer Hollywood-Schinken besorgt wie Vom Winde verweht oder High Noon oder Die Nacht vor der Hochzeit , aber inzwischen kuck ich mir ab und zu auch mal deutsche Heimatfilme aus den Fünfzigern an, die sind echt zum Kaputtlachen. Die aus den Sechzigern kann man knicken, das sind meistens nur noch albern bebilderte, dusselige Schlagerliedchen, aber die Heide-, Schwarzwald- und Alpenfilme von Dunnemals sind echt der Hammer, was Herzschmerz angeht. Meinen schier unerschöpf lichen Filmvorrat (und einen Kubikmeter Videos, die ich mangels Rekorder nicht abspielen kann) verdanke ich einem Erbe. Bevor Onkel Jochen (ein Cousin meines Vaters) an Aids starb, hat er mir seinen gesamten Filmschatz vermacht. Leider habe ich nur ganz vage Erinnerungen an ihn, in seinen letzten Jahren habe ich ihn nicht mehr gesehen. Aber Papa hatte ihm von meiner Filmleidenschaft erzählt, und so kam ich an etwa 200 (zweihundert!) Filmklassiker.
    Meine wichtigsten Seelentröster halte ich aber ganz geheim. Das sind die alten Verfilmungen der Kästner-Romane Das doppelte Lottchen , Pünktchen und Anton und Emil und die Detektive . Das fliegende Klassenzimmer ist mein Lieblings-Weihnachtsfilm mit der schönsten Schneeballschlacht aller Zeiten, und bei der Szene, in der sich der Nichtraucher und der Internatsleiter Doktor Böck zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wiedersehen, krieg ich jedes Mal wieder feuchte Augen. (Peinlich, aber irgendwie sehr wohltuend.)
    Ich kuschelte mich mit Tante Henny zusammen auf mein Bett, klickte Über den Dächern von Nizza an und schob alle Gedanken an die drohende Invasion in meinem Badezimmer beiseite.

    Leider kann man auch mit den besten Filmen nicht alle unangenehmen Gedanken verbannen und blöderweise musste ich immer wieder an die drohende Mathearbeit denken. Irgendwann hab ich in letzter Zeit den Anschluss verpasst und momentan raff ich gar nichts mehr. Leider hat sich mein guter Kumpel Jonas von mir weggesetzt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich nicht mit ihm knutschen will, und jetzt hab ich niemanden mehr zum Abschreiben. Martha und Laura (meine besten Freundinnen) stehen genauso auf dem Schlauch wie ich und deshalb sind die Aussichten auf eine hübsche Vier ziemlich trübe. Wahrscheinlich werde ich die Arbeit verhauen und Ärger mit meinen Eltern kriegen, weil ich nicht rechtzeitig
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