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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle
Autoren: Nina Schindler
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Alarm geschlagen habe. (»Wir hätten dir doch jederzeit eine Nachhilfe organisiert …«) Aber ich hatte eben immer gehofft, dass ich den Anschluss wieder finden würde, und danach ist das mit Jonas passiert. Doch der eigentliche Grund für meine mangelnde Aufmerksamkeit war möglicherweise, dass ich mich in Marlon verknallt hatte.
    Total verknallt.
    Mit Haut und Haaren. In seine immer braun getönte Haut und seine pechschwarzen Haare. In seine braunen Augen und seine Art, ganz still in sich hineinzulächeln. In sein Grübchen. In seine Art, sich mit gespreizten Fingern durch die Haare zu fahren.
    Ach ja.
    Seufz.
    Marlon Beermann.
    Cary Grant und Grace Kelly fuhren gerade in einem Cabrio über die berühmte Corniche (ob es diese Küstenstraße von Nizza nach Cannes im Zeitalter der Autobahnen immer noch gibt?), aber ich war nur mit halbem Hirn und Herzen dabei. Die anderen Hälften dachten an Mathe und Marlon.

    Ich schaltete aus, schob Tante Henny zur Seite, die protestierend maunzte, und holte leise stöhnend mein Mathebuch und das Heft raus. Vielleicht half es ja, wenn ich mir den Stoff noch mal von Anfang an reinzog.
    Wenigstens kann man bei geometrischen Zeichnungen nicht dauernd an Marlon denken.
    (Irrtum. Kann man doch.)
    Damals dachte ich noch, eine verhauene Mathearbeit und Liebeskummer wären das Schlimmste, was mir passieren konnte.
    Von wegen.
    Da hab ich nur noch nicht gewusst, wie sich das anfühlt, wenn man den Boden unter den Füßen verliert.
    Zuerst Fliese für Fliese, dann meterweise und zum Schluss stürzt man ins Bodenlose.

2
    »Stellt euch vor, ich war bei der Vermittlung«, verkündete meine Mutter ein paar Tage später beim Mittagessen.
    »Was denn für’ne Vermittlung?«, fragte unsere Dauerfragerin Rina.
    »Für Au-pair-Mädchen«, antwortete Mama. »Sie sind ganz optimistisch, weil sie mehrere geeignete Mädchen in ihrer Kartei haben.«
    »Aha. Und wann erfährst du Genaueres?«, erkundigte sich Daniel.
    Meine Mutter hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Sie haben gesagt, sie melden sich, wenn sie alle Bewerbungen bearbeitet haben. Aber sie denken, dass wir zum 1. März mit einem Mädchen rechnen können.«
    »Oh, toll, das ist ja schon in drei Wochen«, jubelte Tina.
    »Quatsch, das sind noch fünf Wochen«, sagte ich. »Kennst du den Kalender noch nicht?«
    »Mama!«, schrie Tina empört. »Alex ist wieder streng!«
    Mama grinste. »Stimmt. Zur Strafe bringt sie dir nachher den Kalender bei.«
    »Für wen ist denn die Strafe gedacht?«, fragte ich honigsüß.
    Tina sah mich misstrauisch an. Ich zwinkerte ihr zu und da grinste sie.»Bringst du mir den auch bei?«, fragte Rina.
    »Klar«, sagte ich. »Dani und Mama machen inzwischen die Küche.«

    »Schlaues Aas«, knurrte Daniel, und Mama lachte und sagte: »Guter Schachzug, meine Süße.«
    Nach dem Essen setzte ich mich im Kinderzimmer mit den beiden auf die Mini-Stühle an ihrem Tisch und malte auf ein Blatt die zwölf Monate: die Namen und was Typisches.
    JANUAR und ein Eiszapfen.
    FEBRUAR und eine Faschingsmaske.
    Und so weiter.
    Die Zwillinge waren begeistert und machten Vorschläge, was für Bilder wir zu jedem Monat nehmen sollten.
    Aus den Augenwinkeln beobachtete ich sie und freute mich an ihnen. Sie sind nicht nur niedlich, sondern auch schlau. Beide trugen genau die gleichen Klamotten: rote Pullis zu Jeans, und beiden hatte Mama die dichten langen Haare zu Zöpfen geflochten und rumfliegende Strähnen mit lustigen bunten Clips gebändigt. Kein Wunder, dass außerhalb der Familie sie kaum jemand auseinanderhalten kann: Erstens sind sie eineiig, zweitens immer gleich angezogen. Manchmal muss sogar ich zweimal hinschauen, um zu erkennen, wer wer ist. Doch sowie sie den Mund aufmachen, ist für Eingeweihte sonnenklar, wer da spricht.
    Als wir die Monate fertig hatten (der Dezember hatte ein Lebkuchenherz gekriegt), schrieb ich an den Rand die Wochentage untereinander und teilte das Blatt in Spalten ein. Über die schrieb ich 1.WOCHE, 2.WOCHE und so weiter.
    »So, in diesem Jahr war der 1. Januar ein Freitag. Seht mal her!«
    Ich begann mit den Zahlen, füllte damit eine Woche nach der anderen aus, und siehe da: der Januar hörte am 31., einem Samstag, auf. Dann machte ich beim Februar
weiter. Als ich das Jahr durchnummeriert hatte, nahm ich einen roten Buntstift und malte einen Kreis um das heutige Datum.
    »Bitte schön, heute haben wir Donnerstag, den 24. Januar.«
    Dann nahm ich einen blauen Stift und malte einen
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