Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)
Autoren: Hermann Scherm
Vom Netzwerk:
Probanden als Vergleichspersonen benötigt würden. Das hatte ihm eingeleuchtet.
    Beim besten Willen konnte er sich Jochen nicht als Mörder vorstellen. Jochen war die Sanftmut in Person, er konnte gar nicht aggressiv werden. Vielleicht war es doch nicht Jochen Jakowski, vielleicht handelte es sich doch nur um zufällige Ähnlichkeiten? Andererseits hatte ihm Jochen von dem Samuraischwert erzählt und wie er es erworben hatte, das stimmte alles haargenau.
    Er schaltete sein Handy ein, navigierte zu Jochens Nummer, die er im Organizer hinterlegt hatte, und tippte auf den kleinen, grünen Hörer. »Der gewünschte Gesprächspartner ist vorübergehend nicht erreichbar«, informierte ihn eine Voice-Einspielung. Klar, wenn Jochen in Polizeigewahrsam war, hatte man ihm das Handy abgenommen. Er nahm sich vor, sich bei seiner Rückkehr um die Angelegenheit zu kümmern. Vielleicht konnte er ja helfen.
    Komisch auch, dass Gene Design Technologies mit keinem Wort in dem Artikel erwähnt wurde, dachte er noch, bevor seine Gedanken sich wieder auf das konzentrierten, was vor ihm lag.

* * *
    Er aß marinierte Oliven und ein paar Häppchen Seeteufel und beobachtete nebenbei das TV-Window auf der Web Site von Gene Design Technologies. Seit einigen Minuten lief das Live-Streaming von der NASDAQ. Der CEO von GDT trug gerade einige Details aus der Firmengeschichte vor und gab einen Überblick über die Patentrechte, die im Besitz von Gene Design Technologies waren. Am Ende der kleinen Ansprache beglückwünschte ihn der CEO der NASDAQ mit einem langen Händedruck zum erfolgreichen Going Public des Unternehmens.
    Jeden Augenblick musste der erste Kurs der neu gelisteten Aktie von Gene Design Technologies bekannt gegeben werden. Gespannt starrten die CEOs und die geladenen Gäste auf die Display-Wand. Endlich leuchtete der erste Kurs in grünen Zahlen neben dem Firmennamen auf: 27.90. Bingo, ein Kursplus von 50,81 Prozent im Vergleich zum Ausgabepreis. Er hatte seinen Job ausgezeichnet erledigt. Seine Auftraggeber würden das mit einer 25 Prozent Prämie auf sein Honorar zu würdigen wissen.
    Er schaltete sein Notebook aus und verstaute es in seinem fertig gepackten Handgepäck. Nach einem letzten Check der Zimmer verließ er die Hotel-Suite. In rund zwei Stunden würde seine Maschine nach Genua abheben. Dort würde er drei Stunden auf dem Airport verbringen, die er für einen kleinen Bummel durch die Designer-Shops nutzen wollte, dann war er unter anderem Namen auf eine Maschine nach Berlin gebucht.
    Er ging zur Rezeption, bezahlte das Zimmer und bestellte ein Taxi, das ihn in einer Dreiviertelstunde abholen sollte. Dann ging er in die Lounge, ließ sich einen Cappuccino bringen und holte sich ein bisschen Obst vom Buffet.
    Am Tisch neben ihm handelte ein englischer Geschäftsmann mit einem Chinesen eine Warenlieferung aus. Er legte ein Foto auf den Tisch, um seinem chinesischen Verhandlungspartner zu zeigen, was er wollte, nannte die Menge, die er in Auftrag geben wollte, und den Preis, den er dafür zu zahlen bereit war. Soweit er von seinem Platz aus sehen konnte, handelte es sich um einen Weihnachtsmann aus Plastik mit einem Leuchtstern auf der Brust. Der Chinese kalkulierte rasch, welchen Aufwand er hatte, und machte ein Gegenangebot. Der Engländer schob sich ein Häppchen in den Mund, schlürfte seinen Tee und gab, während er sich den Mund abwischte, mit zwei knappen Worten zu verstehen, dass er den Preis für einen Scherz halte. Das Gesicht seines Gegenübers zeigte nicht die geringste Reaktion. Er schrieb einen neuen Angebotspreis auf einen Zettel und schob ihn über den Tisch. Der Engländer war einverstanden und schob sich eine Gabel mit Rührei in den Mund. Während er kaute, lief in seinem Gehirn wahrscheinlich bereits das Kalkulationsprogramm. 400 bis 500 Prozent Aufschlag bis zum Endverbraucherpreis waren bei solchen Geschäften üblich.
    Er as ein letztes Stück Ananas und nahm den letzten Schluck Cappuccino. Dann wischte er sich den Mund mit der Serviette ab, stand auf und ging in die Lobby. Sein Taxi wartete schon am Hoteleingang. Als er durch die automatische Drehtür ins Freie trat, hatte er wie immer, wenn er ein Hotel verließ, das Gefühl, das alles hinter ihm sich in nichts auflöste. Er gab dem Boy, der ihm die Taxitür aufhielt, ein Trinkgeld und alles war vergessen, als wäre es nie geschehen. Er hatte dafür gesorgt, dass keine Spur zurückblieb.

* * *
    Sie hatte Übung im Auslösen des Reflexes. Schon der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher