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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)
Autoren: Hermann Scherm
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Dass irgendetwas mit ihm nicht mehr stimmte, fiel ihm das erste Mal vor dem Leichenschmaus auf. Sie hatten zusammen noch einen kleinen Spaziergang in der Umgebung des Lokals unternommen und sich dann getrennt, weil Paul noch etwas besorgen wollte. Sein Vater hatte es danach nicht geschafft, allein den Weg zum Lokal zurückzufinden. Er hatte auch niemanden nach dem Weg fragen können, weil er den Namen des Lokals vergessen hatte.
    Als Paul sich wegen diesem Vorfall besorgt zeigte, regte sich sein Vater auf und wehrte sich gegen eine derartige »Unterstellung«, wie er meinte. In seiner Situation, sei es ganz normal, etwas zu vergessen.
    Paul konnte er dadurch nicht beruhigen. Und in den folgenden Tagen verstärkte sich Pauls Besorgnis noch. Im fiel auf, dass sein Vater ängstlicher war als früher, fast wirkte er ein bisschen hilflos. Er hatte manchmal Mühe sich an kurzzeitig zurückliegende Ereignisse zu erinnern und hatte anscheinend einige Geschehnisse in seiner Vergangenheit einfach vergessen.
    Paul wusste, was diese Symptome unter Umständen zu bedeuten hatten, es konnte sich um den Beginn einer Alzheimer Demenz handeln. Aber vielleicht waren diese Fehlleistungen seines Vaters ja wirklich nur eine Folge des Schocks, den der Tod seiner Frau ausgelöst hatte. Eines war für Paul jedoch klar, er konnte seinen Vater jetzt unmöglich alleine in dieser Wohnung zurücklassen. Und es gab niemanden außer ihm, der sich um ihn kümmern konnte. Also gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder konnte er seinen Vater ins Pflegeheim bringen, oder er musste sich um ihn kümmern, falls seine Arbeit das überhaupt zulassen würde.
    Er konnte diese Entscheidung nicht so einfach aus dem Bauch heraus treffen. Also rief er im Institut an und ließ sich für eine Woche beurlauben. Er wollte die freien Tage mit seinem Vater verbringen und hoffte, in dieser Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, wie es weitergehen sollte.
    Als er am Abend schweigend neben seinem Vater vor dem Fernseher saß, fühlte er sich vollkommen hilflos. Der Wetterbericht wurde von einem jungen Mann vorgetragen, der vor einer beeindruckenden Dünenkulisse an der Ostsee stand. Paul nahm keine Notiz von den Wetterdaten, die der Moderator verkündete, aber am Ende des Wetterberichts hatte er einen Entschluss gefasst. Er stand auf und packte ein Paar Sachen für sich und seinen Vater ein.
    »Morgen früh fahren wir an die Ostsee. Ich glaube, uns beiden tut ein bisschen frische Meerluft gut. Ich weck dich um sieben.« Damit sagte er seinem Vater gute Nacht und ging schlafen.
    Die Meerluft wirkte befreiend. Paul fühlte sich wieder besser. Aber der Zustand seines Vaters blieb gleich. Im Gegenteil, Paul bemerkte immer mehr Symptome für eine beginnende Demenz. Sie unternahmen gemeinsam lange Spaziergänge am Meer. Sie sprachen kaum, gingen schweigsam nebeneinander her, und oft ließ Paul seinen Vater auch hunderte von Metern vorausgehen. Und obwohl sie kaum zehn Sätze miteinander sprachen, hatte Paul das Gefühl, dass sie sich immer näher kamen, dass sie sich immer besser verstanden.
    Er betrachtete seinen alten Vater wie er vor ihm herging und erinnerte sich an eine kurze Geschichte von Beckett, in der der Sohn mit dem Mantel des Vaters auf einem langen Spaziergang unterwegs ist. Dabei traf er seine Entscheidung, den Mantel des Vaters anzunehmen.

* * *
    »Der Ausschnitt geht hinten bis zu meinen Arschbacken runter«, tippte Sarah in die Tastatur, fischte sich eine Essiggurke aus dem Glas und legte sie der Länge nach auf das Käsebrot.
    »Susanne... oder wie zum Teufel du in Wirklichkeit heißen magst?! Du machst mich wahnsinnig! Du siehst bestimmt großartig aus in diesem Kleid. Ich kann’s mir richtig gut vorstellen. Und dazu die Leopardenschuhe! Verdammt! Ich möchte dich jetzt gerne ficken!«, erschien die Antwort auf dem Monitor.
    »Und, ich trau mich kaum, es zu sagen... ich hab kein Höschen drunter«, setzte Sarah noch eins drauf.
    »Grrr... oh Gott, mir kommt’s! Daran bist jetzt du schuld, Susanne, du kleine Schlampe! Ich muss dich unbedingt kennen lernen!!! Wo und wann können wir uns sehen?«
    »Is nicht!!! Das ist gegen die Regeln!!! Alles geht, aber wir werden uns nie sehen!!! Ich schick Dir ein Bild von mir, alles, aber wir werden uns nie sehen!!! – Willst Du?«
    »Ja, klar, mach schon! Ich kann’s kaum erwarten.«
    »Vielleicht... vielleicht noch heute, vielleicht aber auch erst morgen... vielleicht... Ciao!«
    Sarah scrollte ein paar sexy Bilder
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