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Spiel mit dem Feuer

Spiel mit dem Feuer

Titel: Spiel mit dem Feuer
Autoren: Marcia Muller
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fand die Kofferraumentriegelung, betätigte sie. »Glenna, können Sie
mir die Arme um die Schultern legen?«
    »Glaub schon.«
    Ich umfasste sie und zog sie aus dem
Fond. Schleppte sie zum offenen Heck des Wagens, lehnte sie dagegen. Dann hob
ich ihre Beine an und wälzte sie in den Kofferraum. Ihre Augen waren wieder
riesig vor Angst.
    »Da drin passiert Ihnen nichts«, sagte
ich. »Seien Sie einfach nur ganz still.«
    Ich knallte den Kofferraumdeckel zu,
bevor sie protestieren konnte, und rannte nach draußen. Die Scheinwerfer fraßen
sich den Feldweg entlang. Ich hechtete ins Gebüsch.
    Okay, was jetzt?
    Polizei anrufen.
    Ich riß das Handy aus meiner Tasche und
drückte die Notrufnummer. Gab Namen und Standort an, sagte, dass ich Glenna
Stanleigh gefunden hätte und dass jemand uns umbringen wolle. Fünf Meter weiter
hielt jetzt ein dunkler Buick direkt hinter dem Datsun.
    »Bleiben Sie am Apparat«, befahl mir
die Zentrale.
    »Geht nicht.« Ich unterbrach die
Verbindung.
    Matthew stieg aus dem Buick. Blieb
stehen, schaute auf den Datsun und starrte dann zur Mühle hinüber.
    Er hatte keine Waffe, jedenfalls keine
Schusswaffe, aber das machte ihn nicht weniger gefährlich. Ich vermutete, dass
er die Steine nach mir geworfen hatte, als ich, trotz seiner Beteuerungen, dass
Jillian sich dort auf keinen Fall verkriechen würde, in den Windbruch gegangen
war. Er hatte Tommy Kaohi den goldenen Schuss verpaßt — nicht schwer, an das
Zeug zu kommen, wenn der eigene Bruder ein Großdealer war. Vielleicht hatte er
ja auch heute Abend eine tödliche Dosis bei sich.
    Matthew ging zur Schnauze des Datsuns,
öffnete die Haube und setzte, genau wie letzten Freitag, den Motor außer
Gefecht. Dann drehte er sich um und suchte das Schattendunkel ab. Ich blieb
reglos liegen, wagte kaum zu atmen. Ein Moskito landete auf meinem Oberarm. Ich
ignorierte den Stich, konzentrierte mich auf Matthew.
    Er stand lauernd da, alle
Sinnesantennen ausgefahren, und bewegte sich langsam auf die Mühle zu.
    Wie lange noch, bis die Polizei hier
sein würde? Zu lange, falls er auf die Idee kam, in den Kofferraum des Volvos
zu gucken. Geduckt arbeitete ich mich durchs Gebüsch, bis ich nur noch zwei,
drei Meter von ihm entfernt war.
    Er blieb stehen und schaute sich wieder
um. Ich erstarrte. Seine Sinne waren zu scharf; ein Überraschungsangriff war
unmöglich, und gegen einen großen, kräftigen Mann war das Überraschungsmoment
meine einzige Chance.
    Ich musste ein Ablenkungsmanöver
starten. Ihn von da weglocken, bis die Polizei aus Waimea hierher gelangte.
    Er griff in seine Hemdtasche und nahm
etwas heraus, was im ersten Moment wie ein dicker Filzstift aussah. Er zog die
Kappe ab. Die Injektionsnadel schimmerte im Mondlicht, so wie Tommy Kaohis
Ohrring während der improvisierten Totenzeremonie geschimmert hatte.
    Er betrat die Mühle und näherte sich
dem Heck des Volvos.
    Ich hob den Arm und schleuderte mein
Handy in Richtung seines Kopfs.
     
    Ich wirbelte herum und rannte los,
schlängelte mich durchs Gesträuch, duckte mich unter Zweigen durch. Hinter mir
hörte ich einen erschrockenen Aufschrei, dann setzte er hinter mir her. Mein
Herz hämmerte, pumpte Adrenalin in meine Gliedmaßen. Den Hang hinauf, am Heiau vorbei, ein Schwenk nach rechts. Über kahlen, mondlichtübergossenen Boden in
den Schutz des raschelnden Zuckerrohrs auf dem angrenzenden Feld.
    Hinter mir Trampeln und Grunzen. Er
stolperte, fiel hin. Fluchte und rappelte sich wieder hoch. Rannte weiter.
    Ich verkroch mich tief im Zuckerrohr.
Kauerte zwischen den Stengeln, sog warme, feuchte Luft in meine Lunge. Horchte.
Nichts als der Puls des Meeres.
    Eine Minute. Immer noch nichts.
    Er hatte mich in der Falle. Spielte das
Statuenspiel, wartete. Horchte auf ein verräterisches Atmen oder Rascheln.
    Na ja, dieses Spiel beherrschte ich
auch.
     
    Ich weiß, was im September 1992
passiert ist. Einigermaßen jedenfalls, und den Rest kann ich mir
zusammenreimen. Es ergibt sich aus dem, was ich über die Wellbrights
herausgefunden habe. Aus dem Zettel in dem Köfferchen, das Glennas Mutter
gehörte. Aber vor allem aus Jillians unzusammenhängendem Monolog dort im La’i
Cottage, als ich sie fand, nachdem sie den Windbruch in Brand gesteckt hatte.
    Jillian hat »Bitte verzeih uns« auf das
Blatt geschrieben und dieses dann in das Köfferchen gesteckt. Das hätte ich
gleich erkennen müssen. Habe ich nicht den Anfang derselben Botschaft dort im
Sand gesehen, in ihrer kindlichen,
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