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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Studio in München waren erschienen, auch der, der
den Nachtigal in »Gegen den Wind« darstellte. Clara selbst spielte in dieser
Telenovela Wendy Gothe, das lesbische Mädchen, das auf dem Reiterhof ihres
Vaters aufwächst, und Nachtigal war ihr Filmpartner, der mit vielen Tricks
versuchte, sie umzustimmen und auf die richtige Seite zu ziehen.
    Auch ihre früheren Kollegen und Kolleginnen von der Wendelsteinbahn
saßen in fröhlicher Runde zusammen. Für die Wendelsteinler war es ein
Katzensprung, denn die Feier fand im Schmiedwirt in Brannenburg statt, einen
Steinwurf entfernt von Claras früherem Arbeitsplatz. Zusammen mit Stimmengewirr
und Lachen wehte der Duft von deftigem Schweinsbraten mit Knödeln und Kraut
durchs ganze Lokal.
    Brannenburg war eine oberbayerische Bilderbuchgemeinde im Inntal,
die aus zwei eingemeindeten Dörfern bestand. Drei Kirchen, die doppelte Zahl an
Wirtshäusern, zwei Italiener, ein Chinese, ein Bahnhof auf der Strecke nach
Rosenheim im Norden und Innsbruck im Süden. Hier gab es keinen Fasching, und es
gab kein Taxi. Der Wind trug den Geruch der Misthaufen herbei, die da und dort
noch in den Ställen dampften. Die Pionierkaserne war vor Kurzem aufgelöst
worden, nicht nur die Geschäftsleute weinten den Soldaten nach. Rauschende und
plätschernde Bäche, golden und rot gefärbte Wälder an den Hügeln und Bergen
ringsum. An besseren Tagen hatte man eine herrliche Sicht auf den Wendelstein –
die liegende Jungfrau –, auf die schweigsamen Berge, die das breite Tal
säumten, und den laut jodelnden Wilden Kaiser mit seinen schroffen, graphitgrauen
Zacken unter einem Postkartenhimmel mit umherirrenden Wolkenschäfchen.
Dazwischen zerflossen Kondensstreifen, ein Airway führte genau darüber. Eine
Staatsstraße mit schneeweißem Mittelstreifen durchzog den Ort in voller Länge
und bescherte den Einheimischen sommers wie winters Ausweichstaus von der
Autobahn. In der Mitte des Dorfes gabelte sich die Straße, dort wies ein Schild
nach Bad Feilnbach, neun Kilometer, eines nach Bad Aibling, neunzehn Kilometer,
nach Großholzhausen, vier Kilometer, und zur Wendelsteinhalle. Heute glänzte
die Straße nass, von den Bergketten waren nur verschwommene Umrisse zu sehen.
Eine tief hängende Wolkendecke ließ nur andeutungsweise die steilen
Bergwaldhänge dahinter erahnen.
    Der Schmiedwirt lag neben der Kirche und dem Friedhof im oberen
Ortsteil. Nicht weit weg, hundertfünfzig Meter Luftlinie vielleicht
nordwestlich, stand ein riesiger Kasten, in dem ein Internat untergebracht war
und der sich selbst als Schloss bezeichnete. Das Schloss sah aus wie eine
missratene Drachenburg, die sich eine Dornenkrone aus hundert Luken und Zinnen
aufgesetzt hatte.
    Alle Viertelstunden dröhnte der Klang der Kirchenglocke durch das
Wirtshaus. Innen und außen waren die Räume geschmückt wie drüben die
Friedhofskapelle, wenn ein Großbauer stirbt. Der Eingang zum Schmiedwirt wurde
von einem graubärtigen Sicherheitsmann bewacht. In den Räumen des Gasthofs
herrschte großes Gedränge. An der Garderobe hingen Loden- und elegante
Stadtmäntel sowie Trachtenjanker. Auf der Hutablage konkurrierten Baseballcaps
mit Jägerhüten. Franzi, der Bräutigam, schlängelte sich mit einem Weißbier in
der Hand lächelnd und nickend und händeschüttelnd zwischen den Hochzeitsgästen
hindurch.
    Clara stand – mit einem Glas Prosecco in der Hand – neben dem Büfett
und stieß mit Programmdirektorin Lola Herrenhaus an. Lola sah aus, als hätte
sie in den letzten Nächten wenig geschlafen. Sie trug einen cremefarbenen
Blazer und eine schwarze Glitzerhose, ihr Haar war nach hinten gesteckt, ihre
Augen glänzten. Endlose Sekunden lang hielt sie Claras Hand in der ihren. Clara
war durch den ganzen Trubel so aufgewühlt, dass ihr die Tränen kamen. Ihr wurde
ganz heiß.
    »Clara«, murmelte Lola Herrenhaus in freundschaftlichem Ton und
beugte sich zu ihr. »Du bist eine erwachsene Frau, aber du bist noch jung. Nun
bist du verheiratet. Denk bitte dran, dass in unsrer Branche die Halbwertzeiten
von Ehen sehr gering sind. Ich wünsch dir viel Glück. Die Ehe ist eine
wunderbare Sache, solange sie nicht zur Gewohnheit wird.«
    Clara, die Wangen gerötet vor Glück, himmelte ihre Chefin an.
»Erzählen Sie doch von Ihrem Mann.« Sie prostete der Frau zu. Vage hatte sie
gehört, dass Lola Herrenhaus mit einem Polizisten liiert sei.
    Lola Herrenhaus nahm ihren Arm und führte sie an der Theke vorbei
über den Flur ins Künstlerzimmer
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