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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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schwer, er hat von Kindesbeinen an einen Hang zum weiblichen
Personal. Nach zwei Anfangsjahren in einer Gemeinschaftspraxis, finanziell
unterstützt vom Großvater, stellt er fest, dass es ihm immer mehr widerstrebt,
menschliche Haut zu berühren. Den Ausschlag gibt schließlich die Begegnung mit
einem Mann, der vor ihm auf dem Bauch liegt und einen behaarten Rücken hat wie
ein Affe. Der Franzi schafft es nicht, Körperkontakt mit diesem Gorilla
herzustellen oder ihn gar zu behandeln. Blitzschnell schult er auf Tierpfleger
um. Tiere jeder Art zu berühren, daran ist er gewöhnt. Eine Ausbildung zum
Outdoortrainer schließt sich an. Der afrikanische Busch, Südamerika, Borneo,
das sind seine Stationen, bevor ihn ein Zufallstrip nach Komodo führt, wo er
mit den Waranen in Berührung kommt und sich in die großen, tödlichen Tiere
verliebt.
    Franzi Weesmüller – er heißt auch in der Show tatsächlich »der
Franzi« – kann mit seinen Tieren umgehen wie kein Zweiter – und zwar mit allen,
nicht nur mit Tigern, Pferden oder Elefanten. Franzis Komodowarane sind über
zwei Meter lang – die in der letzten Sendung heißen Fritz und Luigi –, haben
eine lange gespaltene Zunge und bekommen als Belohnung für einen gelungenen
Kampf eine lebende Ziege oder zwei tote Rehe, die sie vor der Kamera zerfetzen
dürfen.
    Vor der Belohnung aber kommt der Kampf. Fritz und Luigi stützen sich
auf ihren Schwanz, wedeln furchterregend mit dem Kopf, fletschen die Zähne und
umklammern das andere Reptil am Schultergürtel. Wie beim Wrestling ringt der
Fritz den Luigi nieder und breitet sich auf ihm aus, bis der Luigi zehnmal mit
dem Schwanz auf die Matte klopft. Ja, es stimmt: Warane können zählen. Nicht
von Natur aus, aber der Franzi hat es ihnen beigebracht.
    Die Zuschauerquote beträgt über dreißig Prozent, mehr als dreimal so
viel wie bei »Wetten, dass..?«. Er ist gut im Geschäft, der Franzi. Bald wird
er etwas mit Maden bringen. Weiße, fette Maden, die in Tierleichen wühlen,
fressen und atmen, während sie kopfüber in den Nährstoffen stecken, später
vielleicht einmal in Menschenleichen. Das würde die Quote noch einmal um zehn
Prozent steigern, sagt die Redaktion. DARWIN .
    Die eigene Show – Franzi hatte sein berufliches Glück und eine Frau
gefunden, mit der er sich schmücken konnte.
    Doch mit der gleichen unaufhaltbaren Zielstrebigkeit, wie Herbst und
Winter jedem Frühling folgen, war die Ehe zwischen Clara Gray und Franzi
Weesmüller zum Zerbrechen verurteilt. Da half sein ständiges »Samma wieda
guad!« auch nichts mehr.
    Als er ausgezogen war, blieb sie noch eine Weile in der Münchener
Wohnung. Dort erwischte sie sich plötzlich dabei, dass sie Pudding kochte,
Vanillepudding – für Emil. Die Liebe war weg, der Franzi war weg, das Auto und
viel Geld waren weg. Emil, die Tannenzapfenechse, war das Einzige, was ihr
geblieben war. Es war sein Geschenk für sie zu Weihnachten gewesen. Ganze zehn
Monate war das nun her.
    Später sollte sie Lola Herrenhaus erklären, dass sie gar nicht wisse,
ob sie den Franzi je geliebt hatte. Wahrscheinlich sei es nur die kindliche
Sehnsucht nach Geborgenheit gewesen.
    »Und die wurde bitter enttäuscht«, offenbarte sie sich. »Ich glaube
sogar, dass wir uns nie richtig vertraut waren. Wir waren im Bett miteinander,
im Kino, in der Disco, bei euch im Sender. Er hatte so viel mit sich selbst und
seiner Selbstdarstellung zu tun, erst recht mit seiner Sendung, dass er solch
ein Leben nur mit einer Fremden führen konnte. Ihm, glaube ich, war es so sogar
lieber.«
    Lola Herrenhaus verstand. »Ja, die Liebe. Das Licht des Lebens«,
sagte sie. »In der Ehe kommt die Stromrechnung.« Ein Glück, dass Ottakring das
nicht hörte. Hier auf dem Land galten sie beide als ordentliches Ehepaar.
    »Das war die Zeit, in der ich ab und zu allein und mit einem Kater
aufgewacht bin«, meinte Clara ehrlich. »Mit trockenem Mund, dumpfen
Kopfschmerzen, unbeweglichen Gliedern und fehlenden Erinnerungen. Mir war der
Film gerissen.«
    Bevor ein Jahr um war, waren Clara Gray und Franz Weesmüller geschieden.
    Clara gab die Wohnung auf und zog nach Brannenburg. Lola Herrenhaus,
ihre Chefin, hatte ihr viel über den Ort erzählt, und Clara hatte ihn sich
angesehen.
    »Dort hat nicht mal jeder einen Fernseher«, meinte Lola. »Dort wirst
du noch in Ruhe gelassen.«

VIER
    An dem Platz zwischen Schmiedwirt und Friedhof stand ein großes
weißes Haus im älplerischen Stil. »Lassiters
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