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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition)
Autoren: Hannsdieter Loy
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Rollstuhl auf ihn zu, wendete blitzschnell und schob den Mann
an glotzenden weißen Gesichtern hinter Panoramafenstern vorbei zum Führerstand.
    Der ist nicht so spät dran, wie ich befürchtet hab, dachte Maria.
Sie kannte sein Gesicht von tausend Fotos in der Presse und aus Hunderten
Sportschausendungen.
    »Kommen Sie, Herr Hummer«, rief sie und klopfte auf den Notsitz am
Fenster. »Steigen Sie ein.« Dann besann sie sich und legte ein halbherziges
»Willkommen in der Wendelsteinbahn« nach. »Servus, Roland«, rief sie hinaus,
als der Herr sich in den engen Notsitz gequetscht hatte und sie die Tür wieder
zuschob.
    Maria hantierte an der Konsole, legte einen Schalter um, bewegte
einen kleinen Hebel, schaltete die Außenlichter ein. Der Zug setzte sich
unmerklich in Bewegung.
    Hummer sprach kein Wort. Er lächelte sie nur an.
    »Wendelsteinbahn«, sagte Maria, nur um etwas zu sagen. »Es gibt nur
zwei Zahnradbahnen in Deutschland. Eine …«
    Hummer nickte.
    Maria nahm den Blick von der Strecke und musterte ihren Fahrgast.
»War nicht leicht, diesen Platz hier vorn zu bekommen, oder?«
    Hummer zuckte mit den Schultern und ließ zwei perfekte Zahnreihen im
gebräunten Gesicht sehen.
    Sie hatten die Bergauf-Geschwindigkeit von fünfzehn
Stundenkilometern erreicht. Der Zug schwebte wie auf Wolken und rüttelte und
ratterte nicht. Er machte keinen Mucks. Maria hatte die Hände in den Schoß
gelegt.
    »Kennen Sie Cary Grant?«, fragte sie.
    Hummer sah nach vorn hinaus. Bäume flogen vorbei. Lautlos und
unerbittlich senkte sich der Schnee auf die obersten Äste des Bergwalds.
    »Klar. Engländer.« Das erste Wort, das er über die Lippen brachte.
»Wurde grade fünfzig Jahre alt. ›Notting Hill‹. ›Bridget
Jones‹. Und?«
    »Falsch. Nicht Hugh Grant. Cary Grant. Eigentlich
Alexander Archibald Leach. 1986 gestorben. ›Über den Dächern von Nizza‹.
›Charade‹. Sie sehen ihm ähnlich.«
    »Da schau her.« Uly Hummers Blick blieb länger als nötig an Maria
Schwarz hängen. »Woher wissen Sie das? Da waren Sie noch gar nicht auf der
Welt.«
    Maria antwortete nicht. Mittelstation Aipl. Sie ließ den Zug halten.
Eine Handvoll Menschen stieg aus. Ein Mann und eine Frau mit geschulterten
Skiern stiegen zu. Sie legte den Hebel wieder nach vorn.
    Die Cary-Grant-Kopie hüllte sich in tiefes Schweigen. Maria konnte
spüren, wie sein Blick an ihr herumvagabundierte. Sie fuhren gerade in die
erste oder zweite der acht Galerien ein, als er sich zu einem offenen Wort
entschloss.
    »Sind Sie lesbisch?«, fragte er.
    Maria spürte, wie ihr heiße Röte in den Kopf stieg. Sie warf einen
blitzschnellen Blick zur Seite.
    »Sind Sie narrisch?«, gab sie zurück, während der Zug die seitlich
offene Galerie wieder verließ.
    Diese Ablenkung kostete sie fünf oder zehn Meter Bremsweg. Nur zwei
Meter weiter und sie hätte ein Rudel Gämsen überfahren. Die Tiere im
dunkelgrauen Winterkleid standen reglos auf den Schienen und starrten dem
heranschwebenden Führerhaus entgegen, als erwarteten sie die Schwiegermutter zu
Besuch.
    Signal geben wollte Maria nicht. Die empfindlichen Tiere wären zu
Tode erschrocken. Sie beugte sich hinüber, fuhr die Schiebetür zurück und ließ
sie wieder zufallen. Der kurze Knall verscheuchte die Gämsen. Drei sprangen
nach rechts den Steilhang hinunter, zwei flüchteten nach links über die
Hügelwiese.
    »Die kommen zurück«, sprach Maria mehr zu sich selbst. Sie vermied
es, Hummer anzusprechen oder ihn etwa versehentlich zu berühren. Behutsam
setzte sie den Zug wieder in Bewegung.
    Die zwei Chaos-Gämsen kamen in einem Höllentempo von ihrer Wiese
zurück, machten Millimeter vor dem Führerhaus einen Riesensatz über die Geleise
und stürzten sich den tief verschneiten Hang hinunter.
    »Also?« Hummer sah sie herausfordernd an.
    Maria hatte sich die Antwort überlegt. »Freili«, sagte sie. »A ganz
a wuide Lesbe. Aber mir machen wenigstens keine Männer net unglücklich.« Sie
zeigte ihm den Vogel. »Ist Ihnen die Kälte zu Kopf gstiegn? Ihr Hirn ist total
eingfroren, gell?«
    Als der Zug die Bergstation erreichte und sie ausgestiegen waren,
machte er einen neuen Anlauf. »Hast du einen Augenblick Zeit?«, sprach er sie
an.
    Maria musste eh auf den nächsten Zug bergab warten. »Freili«, sagte
sie. »Auf einen Kaffee immer. Bin i von dir eingladen?«
    Hummer hatte es geschafft, sie neugierig zu machen. Ein ziemlich gut
aussehender Mann, dachte sie, der Uly Hummer. So wie er sie ansah, konnte
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