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Spiegelglas

Spiegelglas

Titel: Spiegelglas
Autoren: Michael Siefener
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taumelte ins Bad, wusch sich das blutige Gesicht und schaute in den Spiegel.
Warum ließ man ihr nie eine andere Wahl? Vor einiger Zeit Herr Choriander und jetzt dieser schöne Dämon. Sie hasste die anderen dafür – und sie hasste sich selbst. Ihre Wangen waren wieder rosig.
Im Schutz der Nacht entsorgte sie die Körperhülle.
Ende
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
Hotel Kehrwieder
     
Nach mehr als zwanzig Jahren wollte ich noch einmal an den Ort zurückkehren, an dem ich mit meinen Eltern so oft den Sommerurlaub verbracht habe. Ich bin einem plötzlichen Entschluss folgend losgefahren, meine Arbeit erlaubt es im Augenblick, und als ich gestern Abend hier ankam, war es schon dunkel.
Hier …
Ich weiß nicht mehr, in wie vielen Hotels und Pensionen ich nach einem Zimmer gefragt und eine Absage erhalten habe, bis ich endlich müde, hungrig und enttäuscht zu diesem Haus oberhalb des Ortes, schon beinahe im Wald gekommen bin. Außer seiner fast unbegreiflichen Größe war kaum etwas von dem Gebäude zu erkennen, denn das wispernde Blattwerk der Nacht klebte an der Fassade, und nur mit Mühe fand ich den Eingang im Untergeschoss des gigantisch wirkenden Hauses. Die Tür war verschlossen. Ein Klingelknopf neben ihr war mit dem handgeschriebenen Zettel „Reception“ versehen. Ich schellte. Kein Licht war hinter den Butzenscheiben der Tür zu erkennen, nichts war zu hören außer dem Rauschen von Bäumen, die kaum mehr als eine Ahnung in der sternlosen Schwärze der vergangenen Nacht waren. Ich wartete lange, klingelte ein zweites Mal, wartete. Endlich hörte ich etwas…
Ich habe mein Zimmer erhalten.
Ich habe schon viele unheimliche Geschichten geschrieben, aber noch nie eine erlebt. Bis gestern war das alles ein Spiel für mich. Was ich in der Zwischenzeit gesehen, gehört, gefühlt habe, kann ich nicht berichten; ich kann es nur erzählen, kann es nur in eine Geschichte kleiden. Ob es dadurch wirklicher oder unwirklicher wird, weiß ich nicht.
     
Nach mehr als zwanzig Jahren wollte Alfred L. noch einmal an den Ort zurückkehren, an dem er mit seinen Eltern so oft den Sommerurlaub verbracht hatte. Er war einem plötzlichen Entschluss folgend losgefahren, seine Arbeit erlaubte es im Augenblick, und als er am Abend den Ort seiner frühen Jugend erreicht hatte, war es schon dunkel. 
Bald wurde ihm klar, dass er seine Reise besser hätte planen sollen, denn im ganzen Ort schien es kein freies Zimmer mehr zu geben, obwohl die Saison doch schon vorbei war; es war später September. Enttäuscht fuhr er auf den Ortsausgang zu. Die bewaldeten Hügel des engen Tales, in dem sich der Ort wie eine satte Schlange wand, schienen zu ihm hinabzusteigen. Da holten die Scheinwerfer seines Wagens das Hinweisschild eines Hotels mit dem kryptischen Namen „Kehrwieder“ aus der Finsternis, das nach links geradewegs in die aufragenden Hügel wies, und ein schmaler asphaltierter Weg zweigte von der Talstraße ab, wand sich als schwach erkennbares Band bergan und war bald in der Dunkelheit verschwunden. Alfred folgte dem Schild; einen letzten Versuch war es wert. Langsam fuhr er den immer schmaler werdenden Weg entlang, der sich steil in die Bergflanke bohrte und den die rauschenden Baumriesen, die in die Scheinwerferkegel hinein und wieder aus ihnen heraus traten, wie ein Tunnel aus träger Bewegung und wispernder Schwärze umschlossen.
Ein im Licht des Wagens hell aufscheinender Giebel, Fensterhöhlen, helle Schindeln, Gebälk, sich am Rande des Weges in die Tiefe erstreckend, eine kurze abzweigende Stichstraße, Sackgasse, „Parken nur für Hausgäste.“ Alfred stellte den Wagen ab – der Parkplatz war vollkommen leer –, stieg aus und holte seine kleine Reisetasche aus dem Kofferraum.
Das brandungsgleiche Brausen der Bäume prallte gegen ihn, getrieben von einem unangenehm kalten Wind. Die Rückfront des Hauses, das noch größer war, als es zuerst den Anschein gehabt hatte, schien den Wind zu ihm zurückzuwerfen, der nun eine seltsame Ahnung süßlicher Düfte mitbrachte. Die Fenster starrten schwarz, eine Tür war etwa zwei Meter über der Erde zu sehen, führte aus dem Unerkennbaren ins Unbödige. Das konnte nicht der Eingang sein. Er schritt die Länge des Hauses ab, dessen zur schmalen Straße hin gelegene Seitenfassade sich jedoch hinter undurchdringlichen, nachtverklebten Büschen versteckte. Er versuchte es mit der
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