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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Autoren: Florian Opitz
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Displays ihrer kleinen Spielzeuge eintippen. Ich hielt mich für so unglaublich klug und souverän und glaubte, die geheimen Zwänge des digitalen Zeitalters längst durchschaut zu haben.
    Und ich war mir sicher, dass ich mich ihnen nicht unterwerfen würde. Aber da war auch diese andere Stimme in mir, die mich ständig davon überzeugen wollte, wie verdammt nützlich und praktisch diese kleinen Dinger im Alltag doch sind. Wie viel Zeit, Geld und Mühen sie mir bei meinem Job ersparen würden. Damit müsste ich auf Recherchereisen nicht immer meinen Laptop mitschleppen und mir so den Rücken ruinieren.
    Machen wir es kurz: Der Kampf gegen das Teufelchen in mir ging verloren. Auf meine Verachtung, das Leugnen, dass ich bereits infiziert bin, folgte die exzessive Anwendung. Anscheinend bin ich eben doch nicht so souverän, diszipliniert und superschlau, wie ich dachte. Monatelang hatte ich mich mit dieser Entscheidung herumgequält. Unzählige Stunden im Internet mit sinnlosen Recherchen zum Für und Wider eines iPhone-Kaufs verbracht. Am Ende hat die Vernunft diese Schlacht verloren, und ich habe mir eins zugelegt. Seitdem bin ich auch einer dieser Typen, die über die Straße laufen und dabei konzentriert auf die Innenfläche ihrer Hand blicken, um mit Hilfe von Google Maps den Weg zum Steuerberater zu finden. Oder sich stundenlang damit beschäftigen können, mehr oder weniger sinnvolle Apps auf das Smartphone zu laden.
    Ich werde in Zukunft also wohl noch mehr Zeit in der digitalen Wolke verbringen, obwohl ich doch genau das auf keinen Fall wollte. Für die Menschen und Dinge jedoch, die mir wirklich wichtig sind, meine besten Freunde, die Familie, Live(!)-Musik, Konzerte, mal wieder ein Buch lesen et cetera, habe ich jetzt natürlich noch weniger Zeit.
    Aber sollen jetzt etwa die kleinen digitalen Helferchen – Handy und Netz – schuld an meiner Hektik und Zeitnot sein? Klingt irgendwie nach Ausrede, oder? Wie viel hat dieses Gefühl mit dem Netz zu tun? Wie viel mit mir und meiner inneren Unruhe? Denn mein Alltag wäre sicher auch ohne Netz bereits ziemlich hektisch und zerhackt. Ich muss nämlich zugeben, dass ich schon ziemlich viele Dinge unter einen Hut zu bringen versuche. Ich muss mich wirtschaftlich als Filmemacher behaupten, will gute Filme machen, ein noch besserer Vater, Freund, Partner, Kumpel, Sohn, Bruder und so weiter sein. Und nebenbei auch noch ganz souverän bleiben, ein erfülltes Leben führen und in mir selbst ruhen. Und alles gleichzeitig. Nur klappt das eben alles zusammen nicht so wirklich.
    Neulich hat mich mal wieder ein Freund angerufen und davon erzählt, dass er jetzt regelmäßig zum Yoga geht. »Yoga find ich auch super. Wollt ich immer schon mal machen.« Im Moment, als ich diese Worte aussprach, merkte ich schon, wie hohl und leer das klang, was ich da sagte. »Dann komm doch einfach mal mit«, antwortete mir Stefan. Darauf war ich nun wirklich nicht vorbereitet. So einfach geht das aber nicht. Ich hab doch noch dieses zu tun und jenes zu erledigen. »Vielleicht nach dem Sommer mal«, vertröstete ich ihn. Seit Jahren rede ich mir ein, dass mir Yoga bestimmt guttun würde. Die perfekte und wohl effizienteste Möglichkeit, Sport, Entspannung und Entschleunigung zu kombinieren. Geschafft habe ich es natürlich nicht mal zu einer Probestunde.
    Doch mit meinem Problem bin ich offensichtlich nicht allein. Die Zeit scheint nicht nur in meinem Leben ein knappes Gut geworden zu sein, sondern auch in dem vieler anderer. Zumindest höre ich in den letzten Jahren immer mehr Freunde und Kollegen über Zeitmangel klagen. Eigentlich sehr merkwürdig, denn gemessen in Stunden und Jahren, sind wir heute reicher, als Menschen es jemals zuvor waren. Keiner Generation waren bisher so viel Freizeit und eine so lange Lebensspanne beschert. Irgendwie haben wir also auf vielfältige Weise Zeit gewonnen, aber am Ende haben wir sie dann trotzdem nicht.
    Als ich eines Nachmittags in meinem Büro sitze und mich dabei erwische, wie meine Aufmerksamkeit wieder mal von der sich auf meinem Schreibtisch auftürmenden Arbeit abgleitet und sich, sicher zum zehnten Mal an diesem Tag, den unendlichen Weiten des Internets zuwendet, reicht es mir. In einem Akt, irgendwo zwischen Selbstbestrafung und Emanzipation von der Maschine, knalle ich das Display meines Notebooks zu, laufe in die Küche unserer
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