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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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lachen kann. Mit Heiterkeit können wir jede Situation retten. Da kommt das Närrische ins Spiel«, sagt sie. »Spiel weiter den Narren, das ist mein Motto. Es sind die Träume, die ein Paar zusammenführen, und die meisten Träume erweisen sich angesichts der Realität als närrisch, aber wir müssen sie trotzdem achten. Das ist das Heilige an einer Beziehung.«
    »Hm, so habe ich das noch nie gesehen«, sage ich. »Ich neige dazu, mich darauf zu konzentrieren, daß Träume so oft mit Erwartungen verwechselt werden.«
    »Meine Liebe, wenn du zu viele Erwartungen hast, verfällst du wirklich in einen Trott«, sagt sie und schockiert mich vorübergehend mit ihrer Direktheit. »Du richtest schließlich dein ganzes Streben nur noch auf die Erwartungen, statt das Leben so zu nehmen, wie es auf dich zukommt – die Narrheit hilft dir, deine Träume zu respektieren, ohne dich von ihnen zu sehr runterziehen zu lassen.«
    Der Hausmeister, der die Schleifen von den Kirchenbänken abnimmt, und mehrere Gäste, die Blumenkörbe wegtragen, unterbrechen uns bald. »Ich glaube, wir sollten hier erst mal aufräumen«, sage ich zu Joan, stehe auf und glätte meinen zerknitterten Rock.
    »Wie wär’s, wenn du mit mir nach Rosewood kommst, nachdem wir hier fertig sind?« fragt sie. »Ich möchte, daß du Erik kennenlernst.«
    »Das wäre schön.« Ich lächele bei dem Gedanken, sowohl neugierig wie auch geehrt durch diese Aussicht.
    |45| »Er spricht nicht«, warnt sie mich. »Nach seiner Hüftoperation hat er sich ganz in sich zurückgezogen. Er hat gänzlich aufgehört zu reden. Ich nehme an, er meint, in diesem Leben alles Nötige gesagt zu haben.«
    »Das mag wohl sein«, stimme ich zu und staune, daß ihre Achtung vor ihm anhält, obwohl er allmählich verfällt.
    Das Pflegeheim liegt zehn Minuten zu Fuß entfernt, die Hauptstraße hinauf. Als wir eintreten, wird Joan von mehreren Schwestern mit freundlichen Umarmungen begrüßt. »Erik ist im Salon«, teilt ihr eine davon mit. Joan geht direkt auf die Tür zu, aber nicht ohne vorher einige Patienten in Rollstühlen zu begrüßen. Sobald sie die Tür erreicht hat, schaut sie sich im Raum um. »Da ist ja mein Junge«, sagt sie und deutet auf einen gutaussehenden Mann, der aus dem Fenster schaut, einen Sonnenstrahl auf dem Wust dicker weißer Haare.
    Ich halte mich zurück, bin mir nicht sicher, was ich als nächstes tun soll, während sie zu ihm eilt und einen Stuhl zu ihm heranzieht. Sie legt ihm den Arm um die Schultern und nimmt seine linke Hand in ihre; ich bin fast verlegen, so einen intimen Augenblick mitzuerleben. Doch man sagt, daß das Licht, das auf eine gute Beziehung fällt, alle Beziehungen erleuchtet, und so beobachte ich ihre Geste, um einen Hinweis zu bekommen, was es heißt, permanent miteinander verbunden zu sein. In dem Moment greift sie in ihre Tasche, holt ein Stück Schokolade heraus, wickelt es aus und steckt es ihm in den Mund. Ein paar Minuten sitzen sie schweigend da, bis ihr plötzlich einfällt, daß sie mich mitgebracht hat.
    »Tut mir leid, meine Liebe, ich hatte ganz vergessen, daß du hier bist«, sagt sie und winkt mich heran. »Komm, ich stelle dich Erik vor.« Ich nähere mich langsam, fühle mich geehrt, weil ich weiß, daß sie nur wenige hierher einlädt. »Erik, mein Lieber, das ist meine neue Freundin Joan. Ist das nicht komisch? Wir haben denselben Namen.« Ich strecke die Hand |46| aus, schaue ihm in die Augen, aber sein Blick kehrt bald zu Joan zurück.
    Eine Zeit lang kommt durch den Lautsprecher bedeutungslose Hintergrundmusik, bis Joan die Klänge eines »Wiener Walzers« vernimmt.
    »Unser Lied«, sagt sie zu Erik, ihre Stimme wird sowohl aufgeregt wie auch melodisch. Sie schiebt ihren Stuhl noch näher heran, so daß sie sich direkt gegenüber sitzen, nimmt seine Hände in die ihren, bewegt sie im Rhythmus, als glitten ihre Körper durch einen der großen Ballsäle Europas. Ich beneide sie um ihre Freiheit. Es scheint ihr überhaupt nichts auszumachen, sich womöglich in Verlegenheit zu bringen. Offenbar gibt sie sich ihren Erinnerungen hin, vielleicht an ihre erste Begegnung bei einem Maskenball. Ich spüre, daß ich mich lange genug aufgedrängt habe und ziehe mich in den Garten zurück, wo ich mich in der schwülen Sommerluft schlaff in einen Korbstuhl sinken lasse.
    Ich muß wohl eingedöst sein, denn plötzlich tippt mir Joan auf die Schulter.
    »Erik hält ein Nickerchen«, sagt sie. »Ich warte für gewöhnlich, bis er wieder
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