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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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angewöhnt, mich fast täglich zu ungewöhnlich früher Zeit anzurufen, begierig auf Abenteuer und die Erforschung dieser Halbinsel, die ihr ein Entrinnen bietet. Während des Frühjahrs habe ich mich immer wieder darauf eingelassen, weil sie inbrünstig daran glaubt, daß es sehr viel förderlicher ist, vom Leben zu lernen statt aus Büchern. »Aktivitäten werden zu einem fruchtbaren Boden für das Nachdenken«, beharrt sie. In den letzten paar Monaten waren wir an allen Stränden, sind durch die Provinceland-Dünen gewandert, auf Leuchttürme und Windmühlen gestiegen. An einem besonders warmen Tag habe ich sie bei Ebbe sogar mit zum Muschelausgraben genommen. Wenn mir gerade nichts einfällt, kann man immer damit rechnen, daß sie einen Vorschlag hat und mich von allem weglockt, was ich geplant hatte.
    »Also, was hast du heute vor?« fragt sie mich an einem heißen Junimorgen, während ich Kaffee trinke und meine morgendliche Benommenheit abzuschütteln versuche.
    »Welchen Tag haben wir überhaupt?« erkundige ich mich.
    »Samstag«, erwidert sie fröhlich.
    »Oh, ich muß zu einer Hochzeit«, antworte ich.
    »Das könnte Spaß machen. Kannst du mir eine Einladung verschaffen?«
    »Ich nehme nicht als Gast teil«, erinnere ich sie. »Ich bin die neue Hochzeitskoordinatorin der Kirche, schon vergessen? Ich |38| muß den Floristen und der Hochzeitsgesellschaft die Türen aufschließen und mich dann für alles bereit halten, was die Hochzeitsgesellschaft eventuell benötigt.«
    »Aber du könntest Hilfe brauchen, oder?« Sie klingt wie ein Kind, das darum bettelt, mitgenommen zu werden. »Ich könnte die Blumen arrangieren, Kerzen anzünden und den bibbernden Bräutigam beruhigen. Männer sind bei so was immer wie versteinert, weißt du.«
    »Na ja, wenn du wirklich willst«, willige ich ein, aber um die Wahrheit zu sagen, bin ich mir nicht sicher, ob sie eine Hilfe oder eher im Weg sein wird. »Die Hochzeit ist um zwei. Ich werde gegen zwölf in der Kirche sein.«
    Als ich ankomme, wartet sie schon auf den Stufen. Sie trägt grauen Crêpe, hält einen breitkrempigen Strohhut in der Hand und sieht einfach umwerfend aus. Innerhalb kürzester Zeit verwandelt sich das kahle weiße Kirchenschiff in eine Art Bühne am Premierenabend. Floristen hängen an Leitern, spannen Girlanden aus Wildblumen und Efeu von den Wandleuchtern, der Hausmeister stellt die Bestuhlung für die ziemlich große Hochzeitsgesellschaft um, Joan verteilt Blumenkörbe auf den zahllosen Fensterbrettern, und ich beschrifte große Satinschleifen am Ende jeder Kirchenbank. Angesichts des zerbrechlichen Zustands meiner eigenen Ehe finde ich es ein wenig lachhaft, daß ich eine Arbeit angenommen habe, bei der ich jungen Leuten zum Eintritt in ein Leben verhelfe, das sie sich überhaupt nicht vorstellen können.
    »Hey, Joanie, gab es bei deiner Hochzeit auch so ein Theater?« rufe ich ihr über das Kirchenschiff hinweg zu.
    »Kaum«, ruft sie mit leisem Lachen zurück. »Erik und ich haben am ersten April in Wien geheiratet. Am Ende machten nur die Familienmitglieder Theater, die nicht teilnehmen konnten. Wir hatten eine jüdische Feier, um den Glauben von Eriks Vater zu ehren, und eine anglikanische Feier zu Ehren meines Glaubens. Und dann natürlich die standesamtliche Trauung im |39| Rathaus, was in Europa Gesetz ist. Es war ein bißchen übertrieben... beinahe lächerlich!«
    »Wenn’s nur funktioniert«, antworte ich. »Vielleicht hat die Flamme durch die drei Hochzeiten um so heller gebrannt.«
    »Ich weiß nicht. Das ist alles ein Glücksspiel. Wer weiß, warum es bei dem einen Paar klappt und bei dem anderen nicht. Wie war deine Hochzeit?«
    »Letztlich eine gewaltige Enttäuschung. Ich hatte von einem großen Fest geträumt, aber als ich zustimmte, in Afrika zu heiraten, konnte ich all diese Pläne vergessen. Mein Mann hat schließlich das meiste koordiniert, weil er bereits in Kampala war. Selbst wenn er meine mädchenhaften Träume verstanden hätte, waren die Gemeinschaft und die Umgebung nicht dazu angetan, dem Ganzen viel Schwung zu verleihen. Wir hatten nur eine Handvoll Gäste in einer winzigen Kapelle, die nicht gerade prächtig war – weißes Kleid, aber kein Glanz. Außerdem war ich in Panik. Ich kannte ihn erst seit neun Monaten. Der Flug nach Uganda dauerte ewig und ließ mir zu viel Zeit, mit meiner Entscheidung zu hadern. Ich kam mir wie eine Katalogbraut vor.«
    »Klingt für mich wie ein Abenteuer. Ich wollte immer nach
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