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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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eingehen.
    |42| Als ich nach vorne blicke, sehe ich, wie Sara und Tom einander völlig zufrieden anschauen: ihr Gesicht ist heiter, sein Ausdruck hingerissen. Sie sind davon überzeugt, daß ihre Liebe stark genug ist, alles zu überstehen. Wie können Liebesgefühle so schwinden, wenn die Absicht, die Bindung und die Liebe am Anfang so stark sind? Ich kann mir keinen in dieser Kirche vorstellen, der nicht durch die vertrauten Worte dieses Gottesdienstes wachgerüttelt wird. Die Glücklichen sind dankbar und fühlen sich in ihrer Verbundenheit bestätigt, und in manchen regen sich zweifellos Bedauern und Verzweiflung. Wer von uns kann den Worten des Pfarrers lauschen, der Tom und Sara durch ihr Eheversprechen leitet, ohne die Intensität der Bestrebungen dieses Paares zu spüren? Unwillkürlich muß ich daran denken, wie leicht es ist, unsere gescheiterten Träume der nächsten Generation aufzubürden. Jede Hochzeit entzündet die Hoffnung, daß die jungen Leute all das richtig machen, was uns entgangen ist. »Willst du sie lieben und ehren, in guten wie in schlechten Tagen, und ihr die Treue halten?« fragt der Pfarrer Tom, der nur zu bereitwillig antwortet: »Ich will.«
    Lieben, ehren, Treue halten – alles kühne Ideale, und nur Naive und Närrische können versprechen, sie einzuhalten. Was ehre ich überhaupt an meinem Mann nach dreißig Jahren? Wie oft umsorge ich ihn noch? Und was schlimmer ist, ich kann mich nicht daran erinnern, wie lange es her ist, seit er mich umsorgt hat.
    Trotzdem nimmt mich das Ritual der Hochzeitsfeier gefangen. Ich vergesse meine Zweifel und Bedenken, als der Bräutigam auf den langen Schleier der Braut tritt und ihn zu Boden zieht, als der Trauzeuge fummelnd in seinen Taschen nach dem Ring sucht und die Braut sich nervös kichernd bei ihrem Gelübde verhaspelt. Allzuschnell, kommt es mir vor, spricht der Pfarrer die Schlußworte: »Oh, Gott, der Du den Ehestand geheiligt hast, so daß er eine geistige Vermählung verkörpert, blicke gnädig auf diese Deine Diener, auf daß ihr Heim ein |43| Hort der Segnung und des Friedens sei.« Und damit endet der offizielle Gottesdienst.
    Die Braut und der Bräutigam küssen sich zu donnerndem Applaus der Gemeinde, drehen sich dann triumphierend um und schreiten an ihren versammelten Familien und Freunden vorbei. Innerhalb von nur zwanzig Minuten hat sich Saras und Tommys Leben unwiederbringlich verändert, hoffentlich zum Besseren, vielleicht zum Schlechteren, aber mit Sicherheit für immer.
    »Ich finde, die Kirchenglocken sollten läuten«, flüstert mir Joan in dem Moment zu, als ich denke, daß ein solcher Augenblick spürbarer Veränderung ein wenig mehr Glanz gebrauchen könnte. Nachdem das Brautpaar vorbeigeschritten ist, folgen ihm Reihe um Reihe die Gäste, bis das Kirchenschiff vollkommen leer ist. »Puh«, seufze ich, wische mir über die Stirn. »Ich bin völlig fertig. Wie fandest du all das, Joanie?«
    »Sie scheinen mir ein sehr nettes Paar zu sein«, antwortet sie mit wehmütiger, nachdenklicher Stimme. »Ernsthaft, würde ich sagen, besonders der Bräutigam. Er war ganz bei der Sache, hat sich unerschrocken dem Augenblick gestellt. Das sehe ich gern bei einem Mann. Die meiste Zeit wirken sie so verschlossen, daß man keine Ahnung hat, was sie denken, geschweige denn empfinden. Eine Hochzeitsfeier ist mit so viel Hoffnung erfüllt, nicht wahr?«
    »Ich erinnere mich, daß ich ziemlich neben mir stand, als ich geheiratet habe«, sinniere ich, »daß ich alles mitgemacht habe, als befände ich mich in einem Theaterstück, ohne wirklich zu glauben, daß etwas Bedeutendes geschah. Mein Mann schien viel aufrichtiger und präsenter zu sein.«
    »Ich kann mich erinnern, daß ich alles recht albern fand. Was sollte das ganze Theater? Erik und ich waren einander vom ersten Kuß an verbunden. Wir brauchten diesen ganzen Zirkus nicht. Und doch, ein Gelübde vor einem Geistlichen und Zeugen abzulegen, hebt das Ganze auf eine heilige Ebene, findest du nicht auch?« fragt Joan.
    |44| »Ich nehme an, es gibt einem etwas, woran man sich in rauhen Zeiten klammern kann«, füge ich hinzu.
    »Es ist die Ehrerbietung, mit der wir das Ehegelübde ablegen«, fährt sie fort. »Keiner von uns kann wissen, was vor uns liegt, und, schlimmer noch, wir sind alle so schlecht gerüstet für so viele unserer Kämpfe. Es hilft, wenn man auf die Freude und Heiligkeit des Hochzeitstages verweisen und dann ein wenig über die Absurdität von Liebe und Leben
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