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Sorry

Titel: Sorry
Autoren: Zoran Drvenkar
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verteidigt. Ich wußte ja nicht, was wirklich geschah. Ich war mir sicher, Sie und Ihre Freunde wären schuld an allem. Und wenn Sie ganz ehrlich sind ...
    Er legt den Kopf schräg.
    – ... dann sind Sie mitverantwortlich. Wieso eine Agentur, die sich für andere entschuldigt? Sollten Sie das nicht jedem selbst überlassen? Wozu gibt es die Kirche? Wer einen Regentanz aufführt, sollte sich nicht wundern, wenn es zu regnen beginnt.
    – Was für eine Scheiße reden Sie da nur?
    – Die gute Nachricht ist, fährt er fort, als hätte er sie nicht gehört, daß ich Ihnen verzeihe. Sie sind bestimmt ein gutes Mädchen und wußten nicht, wo Sie da reingeraten sind. Also belassen wir es dabei.
    Er steht auf.
    – Bleiben Sie sitzen!
    Er setzt sich nicht, er bleibt stehen, die Waffe ist auf seine Brust gerichtet.
    – Was hat mich verraten? fragt er, obwohl es ihn nicht wirklich interessiert. Er will sie am Reden halten, er will, daß sie denkt und nicht fühlt.
    – Die Belzens sehen nicht aus, als wären sie erst seit zwei Tagen tot. Und Sie sehen nicht aus, als hätte Sie jemand gefangengehalten. Außerdem hätten Sie durch eines der Kellerfenster fliehen können.
    – Vielleicht war ich gefesselt?
    – Und warum hatten Sie den Terrassenschlüssel?
    – Weil ich auf das Haus aufpasse und - - -
    – Ich bin durch die Terrasse hereingekommen, unterbricht ihn das Mädchen. Ich war hier im Wohnzimmer, als Sie die Terrasse von innen abgeschlossen haben.
    – Ah, sagt er. Kluges Mädchen.
    Der Mann kommt näher. Er kann sehen, daß sie zittert.
    – Was haben Sie Wolf angetan?
    – Ich habe ihm nichts angetan. Er ist eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Aber ich habe sein Gesicht beschützt. Das Gesicht eines Engels. Im Schlaf sah er aus wie ein kleiner Junge. Wer will schon solch ein Gesicht mit Erde bedecken. Das wäre ja unmenschlich. Nein, das konnte ich nicht über mich bringen.
    Der Mann erinnert sich an das schwere Gewicht des Jungen in seinen Armen. Er konnte ihm wirklich nichts antun.
    – Er hat nicht gelitten, sagt der Mann. Er ist eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.
    Der Mann sieht, daß das Mädchen weint. Er weiß, daß sie nie auf ihn schießen wird. Sie tut ihm leid. Wie schwer muß es sein, der Wahrheit von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten und zu begreifen, was man selbst alles falsch gemacht hat.
    – Es ist schon gut, sagt er, ich weiß, wie sich das anfühlt.
    – Was?
    – Ich sagte - - -
    – Ich habe Sie schon verstanden. Wie können Sie so was nur sagen?
    – Ich habe es selbst erlebt, ich habe um meine Kinder getrauert, ich weiß, wie schlimm es ist.
    Er kommt noch näher.
    – Nicht.
    – Sie sind ein gutes Mädchen, und ich bin ein guter Mann. Wir klären das jetzt ohne eine Waffe.
    – Bitte, sagt das Mädchen und weicht einen Schritt zurück.
    – Ganz ruhig.
    Er wird ihr die Waffe aus der Hand nehmen. Er wird das Mädchen in seine Arme schließen und sie beruhigen. Danach wird er sich um den Polizisten im Keller kümmern. Er ist noch lange nicht fertig mit ihm. Er wird das Mädchen und den Polizisten zu den Belzens in das Zimmer legen. Es wird ein Feuer geben. Ein Feuer ist die reinste Lösung. Es wird ein Feuer geben, und die Geschichte wird damit beendet sein.
    – Wolf war mein Freund, sagt das Mädchen.
    – Fanni und Karl waren meine Kinder, erwidert er.
    – Nicht, sagt das Mädchen und hebt den Arm.
    – Schon gut, sagt der Mann und bleibt stehen. Die Waffe ist zwanzig Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er sieht in den Lauf. Er sieht, wie der Lauf zittert. Das Mädchen hat den Finger am Abzug. Der Finger ist nicht angespannt. Er liegt da, als wüßte er nicht, was er da tut.
    Gut so , denkt der Mann und sagt:
    – Ich bin ohne Schuld.
    Das Mädchen reagiert nicht. Der Mann lächelt. Das Mädchenhat aufgehört zu weinen. Sie sieht den Mann an, als würde sie ihn das erste Mal sehen.
    – Es tut mir leid, sagt sie.
    – Ich weiß, sagt der Mann, ich weiß doch.
    Er legt die Hand um die Waffe. Das Mädchen schließt die Augen und zieht den Abzug durch.
     
    Ein wenig ist es so, als hätte jemand seinen Kopf mit einem Ruck nach hinten gerissen. Der Körper folgt träge, dann landet der Mann auf dem Rücken, und sein Gesicht steht in Flammen. Es fühlt sich an, als wäre alles, was er fühlt und denkt und sieht, ein Flammenmeer. Kein Sauerstoff kommt durch, nur das immerwährende Pochen des Feuers. Ein Krächzen löst sich aus seiner Kehle, seine Hände schlagen in die
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