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Sonntags bei Tiffany

Sonntags bei Tiffany

Titel: Sonntags bei Tiffany
Autoren: Patterson James
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Drehtür des St. Regis verschwand. »Jane-Herzchen«, sagte sie, zu mir gewandt, »komm, Tiffany ruft.«
    Ich rannte los, um sie einzuholen.
    Das tat ich immer.

VIER
    A rme, arme Jane! Armes, armes kleines Mädchen! Am nächsten Morgen wartete Michael wie immer vor dem schicken Hochhaus an der Park Avenue, in dem sie wohnte. Es war gut, dass er unsichtbar war, da seine zerknitterten Hosen, das verwaschene blaue T-Shirt und die schäbigen Turnschuhe nicht gut in diese teure Gegend passen würden.
    Er dachte an etwas ziemlich Wunderbares, das Jane gesagt hatte, als sie erst vier Jahre alt gewesen war. Vivienne hatte sich auf eine einmonatige Europareise vorbereitet. Er hatte sich Sorgen gemacht, ob Jane damit zurechtkommen würde. Doch Jane hatte nur mit den Schultern gezuckt und gesagt: »Liebe heißt, nichts kann zwei Menschen trennen.« Michael wusste, diesen Satz würde er nie vergessen – erst recht nicht, weil er dem Mund und dem Hirn einer Vierjährigen entsprungen war. Aber genau das war Jane – ein unglaubliches Mädchen.
    Also, was würde er an diesem wunderbaren Tag anfangen, während Jane in der Schule eingesperrt war? Vielleicht frühstücken drüben im Olympia – Pfannkuchen, Würstchen, Eier, Roggentoast am laufenden Band. Er könnte sich auch mit ein paar anderen »imaginären Freunden« treffen, die in der Nachbarschaft arbeiteten.

    Was genau hatte ein imaginärer Freund zu tun? Er musste einem Kind helfen, sich in der Welt zurechtzufinden, damit es sich nicht allein fühlte und keine Angst hatte. Arbeitszeit? Nach Bedarf. Nutzen? Die unglaublich reine Liebe zwischen einem Kind und einem imaginären Freund. Etwas Besseres als das gab es nicht. Wie passte er, Michael, in den großen kosmischen Plan? Hm, das hatte ihm noch niemand erzählt.
    Michael blickte auf seine Uhr, eine alte Timex, die genauso weitertickte, wie es die Werbung versprochen hatte. Es war 8:29 Uhr. Jane würde um 8:30 Uhr unten sein, genau wie jeden Werktag. Jane ließ nie jemanden warten. Sie war ja so ein Schatz.
    Dann sah er sie, tat aber so, als sähe er sie nicht. Wie immer.
    Â»Erwischt!«, sagte sie und legte ihre Arme um seine Taille.
    Â»Boh, jetzt hast du mich aber drangekriegt!«, stöhnte Michael. »Du schleichst dich besser an als jeder Taschendieb in Oliver Twist.«
    Janes Grinsen, von dem er nicht genug bekommen konnte, hellte ihr Gesicht auf. Sie hievte ihren Schulranzen auf ihre schmale Schulter, und gemeinsam machten sie sich auf den Weg.
    Â»Eigentlich habe ich mich nicht angeschlichen«, erklärte sie. »Du warst so in deine interessanten Gedanken versunken.« Jane hatte eine nette Art, aus ihrem Mundwinkel heraus zu reden, wenn sie mit ihm zusammen war, damit die Leute nicht dachten, sie wäre verrückt. Manchmal zeigte er sich den Menschen, manchmal nicht. Sie konnte
nie sicher sein, was er gerade tat – oder warum. »Das Leben geht geheimnisvolle Wege«, sagte er dann immer.
    Sobald sie außer Sichtweite des Portiers war, ergriff sie Michaels Hand. Dies liebte er mehr, als er sagen konnte. Es gab ihm das Gefühl … hm, er wusste nicht recht … ein Vater zu sein?
    Â»Was hat Raoul zum Mittagessen eingepackt?«, fragte er. »Warte, lass mich raten. Eichhörnchen auf Vollkornbrot, verwelkten Eisbergsalat, zusammengehalten von drei Tage alter Mayo?«
    Jane zog an seiner Hand. »Du bist ein Trottel«, schalt sie ihn.
    Â»Nö, ich bin Hatschi.«
    Â»Eher der Seppi«, lachte Jane.
    Ein paar Minuten später – viel zu schnell – hatten sie das hohe, imposante Schultor erreicht, das nur eineinhalb Straßenblocks von Janes Zuhause entfernt war. Der Bereich vor dem Eingang sah aus wie ein Meer aus dunkelblauen Trägerkleidern und schlichten weißen Blusen, Mary-Jane-Schuhen oder diesen Sportschuhen aus hellem Leder mit andersfarbigem Einsatz und natürlich leger nach unten geschobenen Strümpfen.
    Â»Morgen ist der besondere Tag«, sagte Jane und blickte auf ihre Schuhe hinab, damit ihre Klassenkameradinnen nicht sahen, dass sie mit einem imaginären Freund sprach. »Vielleicht bekomme ich meinen Hund. Mittlerweile ist es mir egal, was für einen. Vielleicht kriege ich ihn auf meiner Party. Wir müssen uns aber erst Das Problem mit Kansas ansehen. Du bist natürlich eingeladen.«
    Die Schulglocke ertönte.

    Â»Toll. Ich kann’s kaum
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