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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch
Autoren: Joseph Hayes
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breitschultrig, in hautengen Baumwollhosen, einem Strickhemd mit farbenprächtigen Querstreifen, einem buschigen, braunen Bart und einer Sonnenbrille. Er trug sein langes, krauses Haar weit in die Stirn gekämmt. Um den muskulösen Arm hatte er einen Ledergurt geschnallt. Im Mundwinkel klebte eine Zigarette, und er hatte sich ein Handtuch wie eine Schürze in den Gürtel gesteckt. Während ich ihn anstarrte, überfiel mich wieder der Zorn. Warum hatte ich nicht an etwas Derartiges gedacht? Warum war mir nicht einmal ein Verdacht gekommen?
    »Wer sind Sie?«
    Er drehte mir das Gesicht zu, aber seine Augen waren hinter den spiegelnden Brillengläsern verborgen. Er legte den Kopf auf die Seite, steckte einen Finger in das Gebräu, das auf dem Herd brodelte, warf den Kopf in den Nacken und leckte den Finger ab. Er schmatzte mit den Lippen. »'s wird nicht gerade edel, Mann, viel haste ja noch vorrätig, aber Wilby hat sein möglichstes getan.«
    »Beantworten Sie meine Frage!«
    »Hummer-Krabben-Ragout mit Pilzen.« Die Heiterkeit hinter seiner melancholischen Verschlagenheit fügte sich ganz natürlich in die traumhafte Atmosphäre. »Dachte, du würdest nach dem Sport und Spiel 'nen kleinen Imbiß zu schätzen wissen.«
    Er hielt sich hier also schon länger auf. Ich konnte nur mit Mühe die Wut bändigen, die wie Feuer durch meine Adern schoß und jeden Augenblick in Gewalttätigkeit umzuschlagen drohte. Aber es kam jetzt darauf an, den Kopf nicht zu verlieren. Der Junge war nicht älter als fünfundzwanzig Jahre, also fünfundzwanzig Jahre jünger als ich. Er wog mindestens zwanzig Pfund mehr und schien in bester körperlicher Verfassung. Eine Schlägerei um diese Zeit würde zweifellos zu einer öffentlichen Ruhestörung führen, für die ich kaum eine glaubhafte, harmlose Erklärung finden konnte.
    »Sind noch mehr da?«
    »Nur wir zwei, Paps.« Er schaute mich nicht an. »Nur Jenny und ich und du – feine Sache, was?«
    »Fein.« Ich hörte meine eigenen Worte wie von ferne. »Hätte ich gewußt, daß ihr zwei Feinschmecker kommt, dann hätte ich noch ein paar Delikatessen eingekauft.« Die Unbeschwertheit meines Tons überraschte mich.
    Nun blickte er mich an. Seine Lippen verzogen sich, glänzten rosa im buschigen Bartgestrüpp, und Zigarettenasche stäubte auf den Boden. »Paps, du tust nur so. Echt is es nich, aber für den Anfang auch nich schlecht.«
    »Wenn das ein Kompliment sein soll, vielen Dank.« Trotz meiner Nervosität klang das beiläufig. »Sie wollen mich wohl bei Laune halten.«
    Er stieß ein schnaufendes Lachen hervor, öffnete die Kühlschranktür und holte zwei Eiswürfelbehälter heraus. »Du bist ja ein schöner Gastgeber, Mann. Nun kühl mal den verdammten Wein.« Er schob mir die Behälter zu. »Ich hab's in einer Bar so gesehen. Ich will einen weiß-weißen.«
    Direkte Befehle hatten mich selbst im Krieg aufgebracht. Mit so anmaßender Arroganz gegeben gingen sie mir derart gegen den Strich, daß ich ihm fast die Eiswürfel aus der Hand geschlagen hätte. Statt dessen sagte ich: »Scheren Sie sich zum Teufel!«, machte auf dem Absatz kehrt und stelzte ins Wohnzimmer.
    Wo Jenny mit hastigen, nervösen Bewegungen sämtliche Schranktüren aufriß. Sie trug das gleiche Kleid. Sie richtete sich auf, ließ die Türen offen und setzte, ungeachtet meiner Gegenwart, die Suche fort. Ich trank mein Glas aus und beobachtete sie. Ihr Gesicht wirkte nun ausgezehrt, mit schmalen Lippen und zusammengekniffenen Augen, und erstaunte mich, als ich an meine Gier vor einer knappen Stunde zurückdachte: das Mädchen war nicht einmal hübsch. Sie zerrte die Schublade des Telephontischchens in der Diele auf, durchwühlte sie mit beiden Händen, stieß einen unverständlichen Laut aus – und sah mich, als sie sich umdrehte.
    Sie gab kein Zeichen des Erkennens. Sie funkelte mich an. »Gib mir bloß 'ne Zigarette.«
    »Ich rauche nicht.«
    »Verdammt, es raucht doch jeder.«
    »In der ganzen Wohnung gibt es keine Zigaretten, falls nicht dein Freund in der Küche welche hat.«
    »Freund?« Sie schnaubte verächtlich. »Wilby?« Sie schlenderte auf mich zu. »Himmel, was ein Laden!« Ihre Gereiztheit war unverstellt, abstoßend. Sie schaltete das Radio ein. Wieder dröhnte und jaulte Musik. Dann baute sie sich vor dem Kaminsims auf, eine Hand in die vorgereckte Hüfte gestemmt, und betrachtete mich. »Na, Sam –«
    Sollte es eine Frage sein? »Ich heiße nicht Sam«, konstatierte ich und goß mir an der Bar
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