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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch
Autoren: Joseph Hayes
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Musik.
    Ich spürte ein Ziehen in der Leistengegend und merkte, daß ich alles wie aus der Ferne betrachtete – es war, als würde mir eine Szene auf der Bühne vorgespielt, in der auch ich vorkam, und ich konnte mir nicht darüber klarwerden, ob das Stück wahnsinnig komisch, ob es nur absurd oder haarsträubend unheimlich war.
    Ich sah, wie Jenny sich mit noch immer wiegenden Bewegungen rücklings auf den Cocktailtisch legte, wobei selbst ihre ausgefallenen Gesten noch immer graziös wirkten. Sie schlängelte die Arme über den Kopf, mit unbeteiligter und in sich versunkener Miene, und hob die Beine in die Luft, so daß das Kleid hochrutschte.
    Ich faßte einen Entschluß. Resolut schritt ich in die Diele, hob den Telephonhörer ab und wählte 0. Das hätte ich gleich tun sollen, bereits vor einer Stunde.
    »Was hast du vor?« Ein Zischen ließ mich herumfahren. Sie lag reglos da, und Besorgnis umwölkte ihre Züge.
    Ich hörte das Tuten am anderen Ende der Leitung.
    »Wen rufst du denn an?« – ein häßlicher Unterton schwang in der Stimme, eine Warnung. Sie richtete sich auf. »Ich werde –« Nun rief sie: »Wilby!« Ein Hilferuf. »Ich schreie, daß das ganze Haus zusammenläuft.«
    Das regelmäßige Tuten im Telephonhörer dröhnte mir ungewöhnlich laut in den Ohren.
    »Schrei nicht, Baby.« Wilby erschien mit einem Topf und einigen Tellern in der Hand. »Spar dir das Geschrei.« Seine Stimme klang dünn und hoch, aber er warf kaum einen Blick in meine Richtung. »Heb es dir auf für später.«
    »Vermittlung«, sagte eine frische Stimme in mein Ohr.
    »Die Polente soll gleich die Reporter mitbringen, Paps. Jenny-Baby, möchteste morgen gern dein Bild in der Daily News sehen?«
    »Hier ist die Vermittlung –«
    »Titelseite Mitte? Daily News, AP, UPI, der ganze Blätterwald –« Er stieß den kochend heißen Topf über die Glasplatte, gegen Jennys Oberschenkel, und sie sprang mit einem Jammerlaut auf.
    »Du Mistvieh!« zeterte sie. »Du weißt doch, daß ich nichts darunter anhabe.« Sie rieb sich das Bein.
    »Du gemeines Mistvieh.«
    »Hier spricht die Vermittlung«, erklärte die Stimme noch einmal. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Mach nur weiter, Paps.« Wilby schaute noch immer nicht zu mir hin, als er aus der Hosentasche Eßbestecke hervorholte und sie klirrend auf den Tisch fallen ließ. »Das gibt 'ne prima Geschichte. Wie du Jenny besoffen gemacht und sie von der Kneipe hergeschleppt hast –« Mir schwirrte der Kopf. »Kann ich Ihnen behilflich sein?« Ich legte die Hand über die Sprechmuschel.
    »Und wie du sie vergewaltigt hast. Und wie sie mich zu Hilfe gerufen hat. Sag's doch der netten Dame, Mann. Sie sollen die Polente schicken, aber schnell-schnell –« Er kniete sich auf den Boden und arrangierte Teller und Bestecke mit peinlicher Sorgfalt. »'n bißchen Glück, und die Londoner Zeitungen übernehmen die Geschichte. Damit die feine Familie der britischen Frau Gemahlin –«
    Das gab den Ausschlag. Vor Zorn kochend legte ich den Hörer auf. Mir hatte es den Atem verschlagen.
    »'türlich würde Lydia-Lydia nicht glauben, daß du die kleine Jenny vergewaltigt hast, was?«
    Ich blickte nicht auf das Porträt über seinem Kopf. »Damit haben Sie verdammt recht«, brachte ich heraus.
    Wilby lachte. »Ausgerechnet, Mann!« Sein Lachen war ebenso schrill wie seine Stimme – fast ein Gackern. Er kauerte sich wieder auf die Fersen. »Ist doch wirklich übel, daß die Leute immer das Schlimmste glauben. Von den anderen! Raubt einem alle Illusionen, was?«
    Zum ersten Mal entdeckte ich in seinen Reden etwas unheimlich Widersprüchliches: Er sprach ungebildet, salopp und doch –
    Ich warf Jenny einen Blick zu. »Ich bezweifle, daß irgend jemand glaubt, sie müßte vergewaltigt werden.«
    Wilby gluckste. »Weißte, was die Leute glauben, Paps? Was sie glauben wollen, kapito?«
    Jenny lächelte freundlich. »Ich wollte schon immer mal vergewaltigt werden.« Sie wirkte dabei völlig unschuldig – und aufrichtig.
    »Wer will das nicht, Baby? Das is 'ne Tatsache. Kapito, Paps?«
    Ich schritt durch das Zimmer auf sie zu. Wilby machte sich wieder am Tisch zu schaffen, und Jenny schaute belustigt zu. Was sollte ich unternehmen? Was konnte ich unternehmen?
    »Paps«, sagte Wilby vorwurfsvoll, »du hast noch nicht mal den Wein kaltgestellt!« Er löffelte den weißlichen Pamps aus dem Topf auf die Teller. »Gib Paps die Flasche, Jenny-Baby. Und auch 'nen Korkenzieher.«
    Jenny
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