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Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Titel: Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
Autoren: Bernd Stelter
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Silvester 2003
     
     
     
     
    Am 31 . Dezember 2003 , um 21 : 45 Uhr, begann ich fünfzig zu werden, einhundertundzehn Tage vor meinem Geburtstag, im Alter von dreiundvierzig Jahren.
    Na ja, fünfzig, das ist ein besonderer Schritt. Fünfzig wird man nicht von heute auf morgen. So was will vorbereitet sein. Da steht man plötzlich in der Mitte des Lebens, da muss die nach dieser Mitte benannte Krise realisiert, in Angriff genommen und schließlich bewältigt werden. Und dass die Krise kommt, das ist so sicher wie der Bauchansatz beim Mann über vierzig.
    Wir saßen mit ein paar Nachbarn am deutschen Rhein in einem italienischen Restaurant, wo uns ein marokkanischer Kellner Leckereien servierte, während wir die Themen besprachen, die man am Silvesterabend so bespricht: »Dinner for One gesehen?«
    »Ja klar!«
    »Dass der Butler aber auch nie schlau draus wird, der müsste das doch kennen vom letzten Jahr.«
    »Same procedure as last year, Miss Sophie?«
    »Wie heißen noch mal die Gäste, die alle schon tot sind?«
    »Ääh … Mr. Winterbottom, Mr. Pommeroy, Admiral von Schneider … und wie hieß der vierte?«
    »Keine Ahnung.«
    Nun, Herbert ist fünfundvierzig. Da muss er sich keine Gedanken machen. Da ist das normal. Ich kenne keinen Mann über vierzig, der, ohne lange nachzudenken, weiß, dass der vierte Gast Sir Toby ist. Ich habe es bei dreihundertvierundzwanzig Partys ausprobiert. Kein Mann über vierzig weiß es, aber die Ehefrau, die weiß es sofort.
    Woran mag das liegen? Keine Ahnung. Ich kenne Ehemänner über vierzig, die sogar den Namen der Ehefrau nicht im ersten Versuch herausfinden. Nach meinen bisherigen Erfahrungen brauchen sie sich den Namen dann auch nicht mehr zu merken. Auf der Scheidungsurkunde steht er schwarz auf weiß!
    Also, Herbert saß mir grübelnd gegenüber. Er ist zwei Jahre älter als ich, fünf Jahre fitter, von Beruf Steuerprüfer, aber ein netter Kerl. Herbert hatte auch keine Ahnung vom fehlenden vierten Gast. Seine Frau Hildegard wusste die Lösung natürlich sofort: »Sir Toby!«
    Es hatte wieder funktioniert.
    Und dann stellte Herbert die Frage, die irgendjemand am Silvesterabend immer stellt: »Was nehmt ihr euch vor für das kommende Jahr?«
    Mal ehrlich, die Pläne fürs neue Jahr, die man an Silvester vollmundig – und meist auch volltrunken – verkündet, das sind doch meistens die guten Vorsätze, an denen man schon in den vergangenen Jahren gnadenlos gescheitert ist. Woran liegt das eigentlich? Die meisten guten Vorsätze haben die Halbwertszeit von Pulverschnee in der Hölle. Mit den guten Vorsätzen ist es doch ungefähr so wie mit einer Selbsthilfegruppe für Schulschwänzer: Es gibt jede Menge Anmeldungen – aber keine Sau geht hin.
    Ich antwortete daher: »Ich höre wieder auf zu rauchen, wie jedes Jahr.« Ich wollte nicht aufrüsten, was meine guten Vorsätze angeht. Weniger Verbissenheit, mehr Gelassenheit. Ich kann prima aufhören zu rauchen. Ich habe es schon zigmal geschafft.
    Manchmal frage ich mich, warum es überhaupt noch Raucher gibt? Ich meine, die gesundheitlichen Risiken sind doch bekannt. Schließlich gibt es mittlerweile Warnhinweise auf den Schachteln, zum Beispiel »Nichtraucher sterben gesünder!«. Außerdem ist es fast überall verboten. Klar, es gibt einige Rebellen, für die ist Rauchen das letzte Stückchen Freiheit. Für die sind Nichtraucher quasi die Steigerung von »Sitzpinkler«. Trotzdem: Rauchen ist ungesund, Rauchen ist teuer; das Einzige, wozu Rauchen gut ist, ist gegen Beine! Ich sagte also: »Ich höre wieder auf zu rauchen, wie jedes Jahr.«
    »Ist doch Blödsinn! Nimm dir doch mal was vor, was du schaffst. Fang an zu joggen.«
    Ich antwortete: »Genau, wo wir gerade von Blödsinn reden …«
    Ich kannte natürlich die Geschichte. Herbert hatte mit einigen Nachbarn den Verein »Adonis e. V.« gegründet, wobei das »e.V.« natürlich nicht bedeutete, dass sein Verein irgendwo eingetragen war, aber er war erfolgreich. Die Jungs trabten regelmäßig in eng anliegenden Jogging Tights am Rhein entlang, und das positive Ergebnis war nicht zu leugnen. Herbert hatte bestimmt acht oder neun Kilo weniger als letztes Jahr Silvester.
    »Das schaffst du auch! Du musst nur langsam anfangen. Zwei Minuten laufen und eine Minute gehen, das Ganze zehnmal hintereinander, das macht eine halbe Stunde. Nach ein, zwei Wochen wirst du merken, dass dir das Pensum zu langweilig wird, dann steigerst du die Laufminuten. Ich würde mal sagen, Ende
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