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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch
Autoren: Joseph Hayes
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Gästezimmer. Ursprünglich, bis vor einem Jahr, war es Annes Zimmer gewesen. Meine Kehle war wie zugeschnürt.
    Ich sah, wie sie die Tür öffnete, hineinging, die Tür schloß. Und mir wurde schlagartig bewußt, daß die ganze Szene einen Höhepunkt des Absurden, des Unglaublichen erreicht hatte. Was spielte sich eigentlich ab? Wie konnte etwas Derartiges geschehen? Ich kannte nicht einmal ihren Namen. Und da überfiel mich wieder die Wut. Fliegende Hitze durchströmte meinen Körper. Die Begierde blieb, mit ekelerregender Intensität, eine rein animalische Leidenschaft, Lüsternheit, aber der Ärger war stärker, und als ich durch den ordentlichen, so vertrauten Raum blickte – und dabei geflissentlich Lydias Bild über dem Kamin ignorierte –, kam ich zu einem Entschluß. Ich muß die ganze Zeit über, auch als ich sie küßte, gewußt haben, daß ich die Dinge nicht weiter treiben lassen durfte. Zum Teufel, das alles widersprach meinem Charakter, meiner Lebensphilosophie, meinem Stil. Andere mochten mich dumm finden, besonders Männer, falls sie jemals davon erfuhren. Von mir aus. Ich war nicht betrunken oder gar närrisch genug, mir von einem halbverrückten kleinen Flittchen, nur weil sich die Gelegenheit bot oder ich einem Impuls folgte, mein ganzes Leben durcheinanderbringen zu lassen.
    Über mir öffnete sich die Tür. Ein Lichtstreifen fiel auf die Galerie. Ich wartete nicht länger. Und wenn ich sie mit Gewalt entfernen mußte, ich würde sie hinauswerfen. Ich stieg die Stufen hinauf. Kein kleines Nuttchen sollte mich –
    Sie trat auf die Galerie heraus. Sie trug nichts als ein fließendes, durchsichtiges Neglige. Ich blieb wie angewurzelt auf der Treppe stehen und hielt mich am Geländer fest. Meine Knie schwankten. Das Licht strahlte sie von hinten an.
    Da erkannte ich Lydias Neglige, und in einem Ansturm von überwältigender Wut wußte ich, daß ich mich in Sicherheit befand.
    »Ziehen Sie das aus.« Die Worte kamen so gepreßt und undeutlich heraus, daß sie wie ein Fauchen klangen.
    Aber sie lächelte. Sie genoß das! Nur war ihr Lächeln jetzt häßlich, verkrampft. »Dann mußt du es mir schon vom Leib reißen.« Dunkles Flüstern, heiser vor Leidenschaft – eine Herausforderung. »Wenn du dich traust …«
    Mir wurde erst bewußt, daß ich mich bewegt hatte, als ich leicht schwankend auf der Galerie vor ihr stand. Ihr Gesicht verschwamm mir vor den Augen.
    Dann wandte sie sich ab und ging ins Schlafzimmer. »Wenn!«
    Ich folgte ihr blindlings. Und mit einem Schlag hatte ich keinen Verstand, keinen Willen mehr. Ich riß ihr mit einem wilden Griff, erfüllt von Haß und Wut und getrieben von einer unwiderstehlichen Begierde, die für vernünftige Gedanken oder Entscheidungen keinen Raum mehr ließ, das Neglige herunter.
    Sie war am ganzen Körper ebenso sonnengebräunt wie im Gesicht.
    Erst als ich nachher neben ihr hingestreckt lag, überkam mich Angst. Sie lag mit dem Rücken zu mir, wehrlos wie ein Kind, zusammengekauert.
    »Gute Nacht, Sam –«
    Kalter Ekel. Scham. Schuld. Ätzende Reue. Ich wollte aufstehen, weg von ihr. Den Blick von ihr abgewendet, sammelte ich meine Kleider vom Boden auf und schlich mich, noch immer nackt, auf die Galerie hinaus. Leise schloß ich hinter mir die Tür und schlurfte in mein Schlafzimmer, in Lydias und mein Schlafzimmer. Ich ließ mich auf die Bettkante sinken und wünschte, ich hätte eine Zigarette. Was nun? Wie sollte ich sie loswerden? Das war am wichtigsten. Jetzt, oder erst am Morgen? War es mit Geld zu erledigen? Wieviel? Mein Gott, wie konnte ich mich nur auf so etwas einlassen?
    Ich vernahm ein Geräusch. Es kam von unten. War sie hinuntergestiegen?
    Ich zog mich hastig an und schlüpfe barfuß in die Schuhe. Auf keinen Fall wollte ich nackt oder im Morgenrock erscheinen – das war endgültig vorbei. Und je eher sie verschwand –
    Es war aber niemand im Wohnzimmer, als ich auf die Galerie hinaustrat. Ich stieg die Stufen hinab und hörte weitere Laute – das Schließen der Kühlschranktür? – aus der Küche. Ich blieb an der Bar stehen und goß mir einen Drink ein, ohne Wasser, ohne Eis, von dem ich einen tiefen Schluck nahm, bevor ich mit dem Glas in der Hand durch das Eßzimmer in die Küche ging. Für Schuldgefühle und Kummer blieb später noch Zeit, zuerst mußte ich sie loswerden, die Sache ein für allemal hinter mich bringen.
    Aber nicht sie befand sich in der Küche. Neben dem Gasherd stand ein junger Mann: groß,
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