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Sonntag bis Mittwoch

Sonntag bis Mittwoch

Titel: Sonntag bis Mittwoch
Autoren: Joseph Hayes
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Wohnungstür auf, leicht angeheitert, noch immer mit dem Gefühl einer gewissen Verlorenheit und ein wenig sinnlich erregt, aber in der Gewißheit, nach einem weiteren starken Drink schnell einzuschlafen, zumal ich seit dem Mittag in Connecticut nichts mehr gegessen hatte. So war also wieder ein Wochenende überstanden. Ich goß mir an der kleinen, in einer Ecke des Wohnzimmers eingebauten Bar, die selten für etwas anderes als Blumenvasen oder als Zeitschriftenablage benutzt wurde, einen Whisky ein.
    »Na, wird ja Zeit –«
    Als ich die Stimme vernahm, glaubte ich, ich hätte das Fernsehgerät in der Bibliothek abzuschalten vergessen. Aber dieser Eindruck verflüchtigte sich.
    Eine junge Frau – eigentlich ein Mädchen – stand im Türrahmen der Bibliothek: lässig auf einem Bein, die Hüfte seitlich vorgeschoben, in einem dünnen, ärmellosen Kleid, das ein gutes Stück oberhalb der Knie aufhörte und eng an ihrem schlanken Körper anlag. Den Kopf zur Seite geneigt schien sie meinen überraschten Blick zu erwidern, aber gleichzeitig wirkten ihre Augen – ich konnte die Farbe nicht erkennen, aber sie waren dunkel – wie auf ein hinter mir liegendes Ziel gerichtet und ausdruckslos. Sie blinzelte nicht, als sich die Stille zwischen uns ausdehnte.
    »Kennst Du mich nicht?« Die Stimme klang durchaus nicht heiser, aber merkwürdig tief und trotz einer gewissen Reserviertheit eindringlich, und um ihre vollen Lippen spielte ein Lächeln.
    »Ich habe Sie noch nie gesehen«, sagte ich und kam mir dabei wie ein Narr vor.
    Da lächelte sie wie ein übermütiges Kind, das sich über einen gelungenen Scherz freut, und stieß einen Laut aus, der fast einem Kichern gleichkam. »Doch, du hast mich gesehen«, stellte sie fest.
    »Ich fürchte, Sie sind in der falschen Wohnung.«
    »So? Sind die Wohnungen alle gleich?«
    »Wie sind Sie hereingekommen?« fragte ich brüsk; ich war stolz auf meinen herrischen Ton, erkannte aber nur zu deutlich das Motiv hinter meiner barschen Haltung: die Stellung des Mädchens, ihre nackten Arme und ihr steter, direkter Blick sprachen von Intimität. »Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
    »Du kennst mich«, sagte das Mädchen und legte den Kopf auf die andere Seite, blies einen perfekten Rauchkringel in die Luft und schaute ihm mit geöffneten Lippen in kindlicher Faszination nach. Ich beschloß, nicht zu reagieren, Zeit zu gewinnen. »Ich habe dich jedenfalls bemerkt.« Sie setzte sich mit anmutigen, sorglos lässigen Schritten in Bewegung, schaute mich berechnend von Kopf bis Fuß an, und ihr leichtes Kleid raschelte in der Stille.
    »Vielen Dank.«
    Meine dick aufgetragene Ironie fruchtete nicht. Sie blieb stehen und zog eine Schnute. »Du bist nicht so, wie ich mir vorgestellt habe, obgleich –«
    »Warum machen Sie sich überhaupt Gedanken um mich?«
    »Ach, sei doch nicht so häßlich –« Sie warf sich in einen schweren Sessel, schwang die Beine über die Armlehne und lachte zur Decke hinauf. »Warum verstellst du dich? Was soll der Zauber?«
    In mir stieg ein prickelndes Gefühl des Überdrusses auf, das von Ärger nicht weit entfernt war. Ich nahm einen tiefen Schluck aus meinem Glas und erkundigte mich: »Wo soll denn dieses Zusammentreffen stattgefunden haben?«
    »In Pats Pub, Mann. Wo sonst?«
    Ich mußte fast lachen, als ich an Pats anzügliches, lüsternes Grinsen dachte: Machen sich gute Zeit, Mr. Wyatt, solange Missis weg ist, was? Das kommt davon, wenn man einem Kneipenwirt anvertraut, daß die englische Mutter der englischen Ehefrau alt und krank ist und nach ihrer Tochter verlangt hat.
    »Nichts zu machen«, erklärte ich dem Mädchen. »Und richten Sie Pat aus, daß er ein Schuft ist.«
    Da lachte sie. »Sag's ihm doch selbst.« In ihrem Ton lag ein Anflug von Neckerei – eigentlich schon Spott –, als sie sich vorbeugte und die Zigarette ausdrückte. Dann schlüpfte sie aus den Stiefeln, rollte sich wie eine Katze in eine wollüstig anmutende Ruhelage und schaute mich mit halbgeschlossenen Augen mit einem seltsam persönlichen, sinnlichen Ausdruck und dem Anflug eines Lächelns an.
    »Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause«, sagte ich und war mir im gleichen Moment der Wirkungslosigkeit meiner Ironie bewußt.
    »Danke.«
    Ich spürte ihre körperliche Nähe, und als mich ihr abschätzender Blick traf, wandte ich mich ab und goß einen tiefen Schluck in mich hinein, der mir schier die Eingeweide verbrannte. Mein Ärger wuchs, aber ich suchte ihn zu beherrschen,
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