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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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aber?«, fragte Kai, der Mudis Gesichtsausdruck nicht deuten konnte. Gab es hier ein Problem?
    »Willst du den Film wirklich dem Rektor zeigen und sie denunzieren?«
    Denunzieren,
dachte Kai erstaunt. War das nicht ein etwas großes Wort für seinen kleinen Film und seine Drohung, ihn dem Rektor zu zeigen? Was ist denn schlimmer: jemanden zu denunzieren oder jemanden zu schikanieren? Doch er zuckte die Achseln und schüttelte dann den Kopf.
    Mudi schien erleichtert, ohne dass Kai genau begriff, weshalb. »Aber ihr Blick war wirklich zum Schreien, als sie den Film gesehen hat«, sagte er. »Wenn es mit ihrer Karriere an der Uni nicht klappt, dann kann sie immer noch nach Hollywood. Und du auch.«
    Mudi sprach zwar perfekt Deutsch, aber Kai hörte einen leichten Akzent, den er nicht einordnen konnte.
    »Na, die Bavaria Filmstudios tun es auch. Vielleicht brauchen sie jemanden, der Schulkinder herumführt oder sich als Vampir verkleidet. Das kann ich dann machen«, erwiderte Kai und war überrascht, als Mudi ihm ziemlich förmlich seine schmale Hand entgegenstreckte.
    »Ich heiße übrigens Mudi. Mudi Mansouri.«
    Kai drückte etwas ungeschickt Mudis Hand und bemerkte gleichzeitig dessen sorgfältig gebügeltes Hemd und seine Chinohose, deren Saum auf blank polierte Schuhe fiel. Mudi war gekleidet, als sei die Immatrikulation ein Fest, während Kai sich plötzlich in seinem abgewetzten Mantel wie etwas fühlte, das die Katze vom Feld ins Haus gebracht hatte.
    »Kai Blessing. Passiert dir so was wie hier oft?«
    »Ja und nein. Die Menschen wissen eben einfach nicht, wo sie mich einordnen sollen. Für die meisten bin ich Türke oder Albaner oder Araber.«
    »Und stört dich das?« Eine dieser Nationalitäten war es also nicht.
    Mudi überlegte. »Nein. Anderssein erregt Unverständnis und Unverständnis erzeugt Vorurteile. Mir ist egal, was die Leute denken, wo ich herkomme. Wenn es mich stören würde, dann wäre ich ja nicht besser als sie. Niemand ist mehr wert als der andere, ob Türke, Albaner, Araber oder eben …«
    Seine Stimme verlor sich und Kai half ihm weiter: »Wo kommst du her?«
    »Aus Augsburg natürlich.« Mudi hielt seine Papiere so, dass sein Abiturzeugnis zuoberst lag. Kai sah, dass Mudi in diesem Jahr am traditionelleren Anna Gymnasium sein Abitur gemacht hatte. Dann blieb sein Blick an Mudis Notendurchschnitt hängen, der mit glatten Einsen in fast allen Fächern viel besser als sein eigener war. Trotzdem kamen ihm die Worte »Streber« oder »Angeber« nicht in den Sinn, denn Mudi strahlte eine Ruhe und Gelassenheit aus, die Kai irgendwie imponierte.
    »Nein, natürlich. Ich meine … ursprünglich.«
    Mudis Augen glitzerten. »Was denkst du? Kannst du es erraten?«
    Kai musterte ihn. Was sollte das Ratespiel? Aber etwas an Mudis Gesichtsausdruck, seiner feinen olivfarbenen Haut und den hellen grünen Augen unter den für einen Mann sehr langen Wimpern faszinierte ihn. Es ließ ihn an Rudyard Kiplings »Kim« denken. Vor einigen Jahren hatte er angefangen, sich mehr für Geschichte zu interessieren, und hatte die fantastischen Welten von »Harry Potter« und »Herr der Ringe« hinter sich gelassen. Seitdem hing auch eine große Weltkarte in seinem Zimmer. Der Gegensatz zwischen dem zersplitterten und so
klein
aussehenden Europa und der immensen, lockenden Weite Zentralasiens hatte ihn gefesselt. Eines Tages wollte er mit der
Transsib
fahren und sein eigenes Roadmovie erleben, entschied er damals mit zwölf.
Eines Tages.
    Mudi erinnerte ihn an die Seidenstraße und an Tausendundeine Nacht und so riet Kai ins Blaue hinein: »Ich weiß es nicht. Aus dem Irak vielleicht? Oder Afghanistan?«
    Mudi lächelte plötzlich, und Kai merkte jetzt erst, dass er angespannt gewesen war.
    »Fast. Gut geraten. Ich komme aus dem Iran«, sagte Mudi.
    »Du bist Perser?«, fragte Kai.
    »Hm … aber ich habe es lieber, wenn man Iraner sagt. Iran ist das modernere Wort für unser Land.«
    »Sorry. Das wusste ich nicht. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden aus dem Iran kennengelernt. Ist das nicht ganz schön … ganz schön …«
    »Ganz schön – was?«, fragte Mudi beinahe lauernd. Er machte es Kai wirklich nicht leicht.
    »Ganz schön
schwierig
dort?«, beendete Kai seinen Satz. Er hörte selbst, wie schwach das klang. Iran: Was wusste er über das Land? Er dachte rasch nach, denn Mudi sah ihn noch immer prüfend an. Schließlich hatte er im
Economist
und in der
ZEIT,
die sein Vater abonnierte hatte, einiges über
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