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Sommernachtszauber (German Edition)

Sommernachtszauber (German Edition)

Titel: Sommernachtszauber (German Edition)
Autoren: Ellen Alpsten
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Szene, erster Aufzug.
    Caroline ballte die Fäuste. Carlos nickte ihr aus den Kulissen zu. Er hob ermutigend beide Daumen. Sie sah hinaus in den Saal, in dem die starken Lampen die Gesichter bis auf die ersten beiden Stuhlreihen schluckten. Ihre Mutter saß mit Michi in seinen sauber geschrubbten Schuhen und mit Wasser und Gel gebändigtem Haar in Reihe drei. Sie spürte ihre Liebe und ihren Stolz bis zu ihr hin strahlen. Etwas von seiner Kraft, seinem Glauben an sie, kam in sie zurück.
    Bei den ersten Worten der Gräfin Capulet und der Amme, die nun auf die Bühne und in den Palast der Capulets schlenderten, erkannte Caroline ganz vorn in der Mitte den Kultursenator und neben ihm dann den Feuerkopf von Mickey Hansen.
    Alles in ihr bäumte sich auf, ehe sie sich ins Gedächtnis rief: Da sitzt die Feindin, die zur Verbündeten gemacht werden muss. Hatte sie denn eine Chance? Oder tippte Mickey Hansen schon spitze, tödliche Kommentare in ihr iPhone? Worte, die mehr verletzten als Messerstiche?
    Caroline schloss die Augen und nahm all ihren Mut zusammen, Mia hin oder her. Nur eines zählte: Johannes. Wo immer er war, er war bei ihr, sagte sie sich. In ihr, so wie vergangene Nacht.
    »Bei meiner Jungfernschaft im zwölften Jahr, ich rief sie schon –
    he, Lämmchen! Zartes Täubchen!
    Dass Gott! Wo ist das Kind? He, Julia!«,
hörte sie wie aus weiter Ferne die Amme rufen.
    Mias helle graue Augen glühten wie die einer Katze, als Caroline sich noch einmal zu ihr umwandte, tief durchatmete und nur sagte: »Sieh mir genau zu, Mia. Da kannst du noch was lernen. Ich kämpfe. Ich siege. Und mit dir rechne ich später ab!«
    Dann lief sie auf die Bühne, plötzlich ein junges, sorgenfreies Mädchen aus adligem Haus im mittelalterlichen Verona geworden. Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Es gab kein Zurück. Irgendwo, irgendwie, irgendwann wartete Johannes auf sie, davon war sie überzeugt. Sie spielte für alle, die sie liebte. Sie spielte um alles. Caroline richtete ihren Blick nach innen und spielte sich das Herz aus dem Leib.
    Für Johannes.

Caroline wagte es kaum, die
BZ am Sonntag
auf der Seite mit den Theaterkritiken aufzuschlagen. Da war er ja: Mickey Hansens Artikel zu
Romeo und Julia
am
Bimah.
Sie holte kurz Atem. Michi trat neben sie und machte einen langen Hals.
    Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen
    Anders als mit Goethes unsterblichen Worten kann man die Bewunderung für Carlos Spichingers neue Inszenierung von Romeo und Julia am wieder eröffneten Bimah-Theater in der Berliner Fasanenstraße kaum ausdrücken. Berlin braucht mehr Bimahs: So viel Feuer und so viel Originalität hat William Shakespeare schon lange nicht mehr gesehen.
    Grandios, feinfühlig und hochbegabt Caroline Siebert als Julia – ihre erste tragende Rolle auf einer fantastischen privaten Bühne, die bald, wenn der Senat richtig urteilt, verdientermaßen einer nationalen gleichgestellt sein wird. Siebert vergisst sich selbst und wird die junge Gräfin mit Leib und Seele, gleichzeitig jedoch haucht sie ihr eine Reife, Sehnsucht und Trauer ein, die bei einer so jungen Frau erstaunt und auch erschreckt. Was hat sie gesehen? Wen hat sie geliebt? Was macht sie glücklich, wer hat ihr das Herz gebrochen? Diese Fragen wirft ihre leidenschaftliche, leidende Darstellung der Julia auf, der man sich nicht entziehen kann
.
    Bravo auch an Carlos Spichinger, den jungen Aufsteiger der Theaterszene. Eine tiefe, gelassene und doch furiose Inszenierung mit Hand und Fuß. Er bewies bei der Auswahl seiner Schauspieler die Urteilskraft eines ganz Großen. Fabelhaft auch Ben van Behrens als ein von seinen Gefühlen überwältigter Romeo, der dennoch viel Raum zur Entwicklung hat. Ergreifend Klaus Meier als Mercutio, der vollkommene weise Narr, der sich hinter vielen Masken verbirgt.
    Nur Maske und Kostüm wären besser einem Profi zu überlassen gewesen. Mia Weiss sollte als Spross einer großen Schauspielerfamilie bei ihren Leisten bleiben, wenn sie denn dazu das Talent hat. Was noch zu beweisen wäre. Wir warten gespannt!
    – Mickey Hansen –

Mia schlief unruhig. Es war in den frühen Morgenstunden nach der Nacht der Premiere. Alle waren noch ausgegangen, hatten gelacht und gefeiert, nur Mia hatte sich früher verabschiedet.
Mit dir rechne ich später ab,
hatte Caroline kalt zu ihr gesagt, ehe der Strudel an Stolz, Freude und Begeisterung sie mit den anderen fortgerissen hatte. Mia war allein im Theater zurückgeblieben. Für sie war in
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