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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei
Autoren: Manuela Martini
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freie Hände und drängt mich rückwärts. Leonie ist wieder frei.
    »Wie habt ihr nur so was tun können!«, bringe ich heraus.
    Vivian stößt mich mit einem kräftigen Schubser rückwärts die flache Uferböschung hinunter, ich stolpere über eine Wurzel, kann mich gerade noch an herunterhängenden Zweigen festhalten, da ist sie schon wieder bei mir, stößt mich erneut.
    »Maya!« Was ist mit ihr? Warum hilft sie mir nicht?
    Vivians Lachen klingt grausam. »Du bist immer noch genauso naiv wie damals!«
    Maya und Leonie stehen stumm am Ufer. Erhellt vom Vollmond, vor den gerade dunkle Wolken ziehen.
    »Was habt ihr vor?«, rufe ich und mein Echo hallt über den See, wird von einem grollenden Donner verschluckt.
    Meine Sandalen sinken in den weichen Uferschlamm, ich spüre, wie sich die breiige Erde zwischen meine Zehen quetscht. Das Wasser reicht mir schon über die Knie. Hinter mir erstreckt sich der weite See. Schwarz und weit und tief. In meinem Kopf überschlagen sich die verschiedensten Horrorszenarien.
    Sie werden es nicht tun. Sie KÖNNEN so was nicht tun!
    Ich stemme mich nach vorn, ich muss aus dem verfluchten Wasser raus, doch Vivian hat sich auf einen Stein gestellt, der über die Wasseroberfläche ragt, und schubst mich zurück.
    »Warum habt ihr Maurice umgebracht?« Ich will sie wissen, die Wahrheit, jetzt, egal, was dann passiert.
    »Es war seine eigene Schuld«, sagt Leonie vom Ufer aus. »Er hat mich einfach nicht mehr beachtet! Hat mich links liegen lassen, wegen dir kleiner Tankstellen-Tussi!«
    »Wir wollten ihm einen Denkzettel verpassen und euch den Spaß verderben«, schaltet sich Vivian ein und gibt mir einen weiteren Schubs. Ich kann mein Gleichgewicht auf dem weichen Untergrund nicht halten und taumle nach hinten. »Das Ruder hat dich nur gestreift und du bist wie eine Fliege ans Boot geknallt. Da ist er einfach völlig durchgedreht.«
    »Hat sich auf uns gestürzt wie ein Irrer!« Überrascht drehe ich meinen Kopf, als ich Mayas Stimme höre. Sie war also auch dabei! Wie blöd bin ich eigentlich? Donner grollt. Regentropfen klatschen auf meinen Kopf.
    »Ja, das liegt bei denen wahrscheinlich in der Familie. Hast du Claude schon mal ausflippen sehen? Wir mussten uns wehren!«, ruft Leonie.
    »Und wer weiß, was er sonst mit uns gemacht hätte!« Vivian sieht mich aus dunklen Augen an.
    »Und deshalb habt ihr ihn umgebracht?« Ich kämpfe gegen meine Tränen und die Wut, die unaufhaltsam in mir aufsteigen. »Ihr habt ihn getötet und mich ins Gefängnis geschickt!«
    »Es war ein Unfall!«, schreit Leonie.
    »Ach ja, und warum habt ihr mir dann das Ruder in die Hand gegeben?«, brülle ich zurück.
    »Es war ein Reflex! Wir waren in Panik, als Maurice plötzlich tot vor uns lag.« Leonies Stimme klingt wie die eines kleinen, trotzigen Kindes.
    »Olaf Ritter hat euch gesehen! Und dann habt ihr ihn erpresst, wolltet erzählen, dass er mit Nadia rumgemacht hat, ja?« Ich kann das alles nicht fassen! Diese Gemeinheit, diese Bösartigkeit!
    Meine Wut und meine Angst verleihen mir neue Kräfte und ich werfe mich nach vorn, doch der Boden ist glitschig, ich rutsche nach hinten. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Das Wasser reicht mir nun bis über den Bauchnabel, das Ufer fällt recht steil ab und Vivian steht auf dem Stein ein ganzes Stück höher als ich, sodass ich ihr kaum was anhaben kann. »Lasst mich raus!«, schreie ich. Doch keine reagiert.
    »Bist du verrückt?«, schreit Vivian zurück. »Denkst du, wir haben Lust darauf, in den Knast zu wandern?«
    »Du hast selbst erzählt, wie es da ist!« Leonie sieht mich wütend an. »Du glaubst ja wohl nicht, dass wir nicht alles tun werden, um das zu verhindern.«
    Panik überrollt mich. Sie meinen es ernst. Sie wollen es tun, sie wollen es wirklich tun… Verzweifelt versuche ich, meine Sandalen aus dem schlammigen Seeboden zu ziehen und einen Schritt in Richtung Ufer zu machen. Vivian lässt mich dabei nicht aus den Augen.
    »Weißt du, was das hier ist?« Leonie hält ein Stück Papier hoch. »Dein Abschiedsbrief. Du kannst mit der Schuld einfach nicht mehr leben.« Sie faltet das Papier zusammen und legt es unter einen Stein am Ufer. »Winter wird es verstehen.«
    »Ihr seid verrückt! Ihr könnt das nicht wirklich tun!«, schreie ich, aber niemand gibt mir eine Antwort. Meine Kleider und Schuhe sind mittlerweile so vollgesogen und schwer, dass ich mich kaum noch bewegen kann. Ich habe das Gefühl, dass der See mich wie ein Magnet vom
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