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Sommernachtsschrei

Sommernachtsschrei

Titel: Sommernachtsschrei
Autoren: Manuela Martini
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Ufer wegzieht. Der Regen wird stärker, der Wind auch. »Lasst mich raus, bitte, lasst mich hier raus!« Ich schreie all meine Verzweiflung, Wut und Angst aus mir heraus. Immer und immer wieder. Doch alle schweigen. Nur das Grollen des Donners kommt näher.
    Liebe braucht Mut, Mut, Mut! Der Klingelton von meinem Handy! Es steckt in meiner Jackentasche, gerade noch über der Wasserlinie. Ich hab noch eine Chance! Ohne die Mädchen aus den Augen zu lassen, fasse ich in die Tasche, ziehe langsam das Handy hervor. In dem Moment entlädt sich ein greller Blitz in einen ohrenbetäubenden Donner. Ich zucke zusammen, das Handy rutscht aus meinen nassen Händen und fällt ins Wasser. Es verstummt sofort.
    »Ist wohl nicht wasserdicht«, kommentiert Vivian mit spöttischem Lächeln.
    Mit aller Kraft stürze ich mich jetzt noch mal nach vorne. Es ist meine einzige Chance, hier herauszukommen. Doch der Schlamm unter meinen Schuhsohlen lässt mich erneut ausrutschen, ich verliere den Halt und Vivian packt meine Handgelenke und hält mich fest.
    Sie haben es sich doch anders überlegt, sind zur Vernunft gekommen, denke ich. Sie wollten mir bloß Angst machen, auf ihre gemeine Art eben. Maya und Leonie haben ihre Schuhe ausgezogen und kommen nun auch ins Wasser. Jetzt ziehen sie mich raus, hoffe ich, doch in dem Moment rammt mir Leonie eine Faust in den Magen. Ich kann noch nicht mal schreien, mir bleibt die Luft weg, dann kommt der Schmerz –
    »Reicht es denn nicht…« Ich schnappe nach Luft, mein Magen krampft sich so schmerzhaft zusammen, dass es mir fast die Luft nimmt. »Reicht es denn nicht, dass ihr Maurice umgebracht habt?«, presse ich hervor.
    »Du bist selbst schuld!«, sagt Leonie giftig. »Ich hab dich gewarnt! Ich wollte, dass du abreist, aber die Postkarte und die Drohbriefe haben dir ja nicht gereicht!«
    »Warum hast du uns nicht einfach in Ruhe gelassen?«, kommt es von Maya.
    Ich versuche, mich aus Vivians eisernem Griff zu befreien, doch Maya kommt ihr zu Hilfe.
    »Aber ich hab doch zu euch gehört!«, stoße ich in meiner Panik hervor, versuche, die gemeinsame Zeit heraufzubeschwören. »Die Mutprobe… ich hab doch immer…«
    Maya lacht auf. »Du hast nie zu uns gehört! Eine wie du passt nicht in unseren Club. Wir brauchten eine Sängerin, das war alles!«
    Ihre gehässigen Worte brechen mir endgültig das Herz.
    Alles ist verloren. Maurice ist tot und ihre Freundschaft hat nie existiert.
    Das war nun also der Preis dafür, dass ich unbedingt mit ihnen befreundet sein wollte, teilhaben wollte an ihrem Leben, das mir so viel großartiger erschien als meines.
    Diese Gedanken gehen mir für Bruchteile von Sekunden durch den Kopf, während sie mich weiter in den See zwingen. Mein Abschiedsbrief und mein Geständnis liegen am Ufer. Unerreichbar weit weg. Es wird so echt wirken. Niemand wird an meinem Selbstmord zweifeln. Neben mir treffen Regentropfen wie Schrotkugeln aufs Wasser. Es donnert in immer kürzeren Abständen und über dem See zucken die Gewitterblitze auf. Was für eine Kulisse, denke ich noch, da taucht mich Leonie unter Wasser.
    Ich kämpfe mich nach oben, japse nach Luft.
    »Du hattest kein Recht, dir einfach Maurice zu schnappen. Du hättest besser die Finger von ihm lassen sollen!«, stößt Leonie mit wutverzerrtem Gesicht hervor und taucht mich erneut unter Wasser.
    Ich rudere, versuche zu treten, komme nach oben, will nach Hilfe schreien. »Hilf…« Da legt sich schon eine Hand über meinen Mund, tausend Hände sind plötzlich da, zerren überall an meinem Körper, ich kippe nach hinten, meine Sandalen bleiben an einem Stein hängen, ich falle, tauche unter Wasser, Hände drücken meinen Kopf nach unten, meine Beine strampeln, doch gegen die Überzahl der Hände habe ich keine Chance.
    Ich verliere die Orientierung im dunklen Wasser, brauche Luft – da, endlich, meine Füße berühren Grund, ich stoße mich ab, jetzt sofort, hinauf an die rettende Oberfläche, ich ersticke sonst, ertrinke, doch da drückt wieder eine Hand auf meinen Kopf, bevor er den Wasserspiegel durchbricht, presst mich zurück in die Tiefe, ich schreie – lautlos, Wasser überall, um mich, in mir…
    Ich sterbe.
    Sometimes life is like crossing many rivers or a day in the sun… Die Sommerwiese, Tau auf meiner Haut, seine warme Hand in meiner… Do you still remember the color of my eyes? The sound of my voice? … Meine Lippen an seinem Hals, Duft nach Heu… Time is the enemy, raindrops are falling outside not
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