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Sommernachts-Grauen

Sommernachts-Grauen

Titel: Sommernachts-Grauen
Autoren: Susan Mennings
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Ella dachte jedes Mal darüber nach, was diese spießigen Frauen mit ihrer freien Zeit anfingen.
    Was Ella machen würde, stand fest und wiederholte sich jedes Wochenende. Zufrieden ging sie die leeren Straßen entlang, die nach Geschäftsschluss beinah etwas Unheimliches hatten, was Ella über alle Maßen genoss. In diesen Minuten konnte sie in aller Ruhe über ihr Leben nachdenken, ihr Jurastudium, woran sie weniger gern erinnert wurde. Viel lieber wollte sie an die netten männlichen Kommilitonen denken.
    Dieses Jahr war bisher ein gutes gewesen. Sie war inzwischen 25 und fühlte sich entsprechend erwachsen, auch wenn es noch einige Semester dauern würde, bis sie ihr Studium beendet hatte und dann endlich so viel Geld verdiente, wie es ihr angemessen erschien, obwohl sie nicht einmal eine Idee hatte, wie viel das sein würde. In ihrer Vorstellung wäre es ausreichend, um sich allein eine Wohnung leisten zu können, mit Sicherheit ein Auto und vor allem regelmäßigen Urlaub.
    Nachdem Ella das Geld bei der Bank eingeworfen hatte, überquerte sie die Ost-West-Straße auf der sich der Feierabendverkehr wie ein zäher Lavastrom ergoss. Sie wartete nicht die Grünphase der Ampel am Rödingsmarkt ab und schlängelte sich stattdessen durch die nicht vorankommende Autolawine. Kurz darauf hatte sie ihr Ziel erreicht und betrat den Herrengraben .
    Einer glücklichen Fügung hatte sie es zu verdanken, dass sie in die Wohnung ihrer Großmutter hatte ziehen können. Leider bedeutete es auch, dass die Mutter ihres Vaters nicht mehr am Leben teilnahm. Sie hatte ihre Oma sehr geliebt und konnte nicht begreifen, wie ein so lieber Mensch ein Kind wie ihren Vater hervorgebracht hatte. Manchmal glaubte sie, dass er nicht mit ihr verwandt sein könnte.
    So war er über die Maßen wütend, als er bei der Testamentseröffnung erfuhr, dass seine Mutter ihr kleines Vermögen dazu gebraucht hatte, die Wohnung, in der sie lebte, zu kaufen. Ihm war nicht einmal bewusst, dass dies möglich gewesen wäre. Aber seit einigen Jahren glaubten findige Hausbesitzer schlau zu sein, wenn sie ihre Mietshäuser in Eigentumswohnungen wandelten. Großmutter hatte wohl Angst gehabt, auf ihre alten Tage noch ausziehen zu müssen.
    In den Backsteinbau aus dem frühen 20. Jahrhundert war sie damals frisch verheiratet und schwanger mit ihrem Mann eingezogen. Ellas Großvater arbeitete im Hafen bei einem Reeder, jedoch nicht als Arbeiter für Stückgutfracht, sondern im Kontor, was für ein ausreichendes Einkommen gesorgt hatte.
    Viel war es dennoch nicht, was er hinterlassen hatte, aber es reichte aus, um die Wohnung zu kaufen. Somit steckte nun sämtliches Vermögen, mit dem sich Ellas Vater offensichtlich über den Tod seiner Mutter hatte trösten wollen, in einer 80-Quadratmeter-Wohnung, in einem Haus, das selbstverständlich keinen Aufzug besaß.
    Er war so empört, dass er augenblicklich das Testament anfechten wollte, als er zudem hörte, dass Ella als Alleinerbin eingetragen war.
    „Karl-Heinz, ich bitte dich, reg dich doch nicht so auf“, hatte Ellas Mutter voller Sorge gesagt, da sie angenommen hatte, dass ihr Mann einem Herzinfarkt erliegen könnte, „denk nur daran was du aus Ellas Zimmer machen kannst, wenn sie dann endlich auszieht.“
    Ein Lächeln war über sein Gesicht gehuscht. Der Platz in dem Reihenhaus in Langenhorn war begrenzt. Er könnte endlich mit dem ihm angestrebten Hobby, der Malerei, beginnen.
    „Was meinst du, wie viel Geld wir erst sparen, wenn nicht jeden Tag geduscht wird“, versuchte Ellas Mutter ihm diese glückliche Wendung schmackhaft zu machen.
    In ihrer Trauer war Ella kaum in der Lage, dieser Unterhaltung zu folgen. Sie dachte lediglich daran, wie wunderbar es sein würde, endlich das spießbürgerliche Heim verlassen zu können und sich nicht länger von ihrer Mutter drangsalieren lassen zu müssen.
     
    Daher wohnte Ella quasi kostenfrei, sah man vom Unterhalt der Wohnung einmal ab, der im Verhältnis zur Größe geradezu lächerlich erschien. Dennoch musste sie ein paar hundert Mark aufbringen, denn ihr Vater weigerte sich, Ella nach einem so großen Erbe zu unterstützen. Sie sei außerdem alt genug, um auf eigenen Beinen zu stehen. Ihm missfiel ohnehin die Wahl ihrer Studienrichtung. Es wäre ihm lieber gewesen, wenn sie Kunst oder wenigstens Literatur als Studienfach gewählt hätte.
    Als Zeichen ihres Protests kam sie dem Wunsch ihres Vaters nicht nach und begann mit dem Studium der Rechtswissenschaft. Sie
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