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Sommernachts-Grauen

Sommernachts-Grauen

Titel: Sommernachts-Grauen
Autoren: Susan Mennings
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sagte sie laut zu sich selbst.
    Vor Stunden hatte sie mit ihrer letzten Kundin gesprochen. Einer Frau, die gekommen war, um sich ein Kleid zu kaufen, der sie dann jedoch eine schicke, für ihre Figur viel zu enge und vor allem sehr viel teurere Hose angedreht und erklärt hatte, dass sie damit zukünftig jeden Mann um den Verstand bringen werde.
    Je näher Ella der Tür entgegen kam, desto heißer wurde es. Drückend schlug ihr die Hitze entgegen als sie die Straße betrat, die wie ausgestorben war. Kein Mensch verirrte sich am Nachmittag in die Innenstadt. Sie schaute auf ihre Armbanduhr und ließ ihre Schultern um ein Stück tiefer sinken. Noch drei Stunden.
    „Wie soll ich das aushalten?“
    Aus lauter Langeweile und weil sie schließlich etwas tun musste, um die Zeit dazu zu zwingen schneller zu vergehen, fing sie an Staub zu wischen. Eine Tätigkeit, die sie hasste und nur unter Androhung, ihren Job zu verlieren, ausübte.
    „So verzweifelt bin ich bereits“, stellte sie fest, als sie sich das Staubtuch genommen hatte. „Warum nur suche ich mir keinen anderen Job? So ein Scheiß.“
    Um sich nicht weiter in die Abscheu gegen ihre Arbeit hineinzusteigern, suchte sie nach den positiven Aspekten. Klar, dachte sie, zehn Mark in der Stunde sind nicht besonders viel. Ihre Freunde, die in der Gastronomie Arbeit gefunden hatten, verdienten durch Trinkgelder deutlich mehr. Aber die mussten auch viel härter dafür arbeiten. Was hatte sie schon auszustehen?
    Ella arbeitete ausschließlich am Freitag und an den langen Samstagen und beinahe täglich in den Semesterferien. Zudem bekam sie auf alle Waren Prozente, ab und zu schenkte ihre Chefin ihr sogar ein Kleidungsstück, wofür sich selbst im Ausverkauf kein Kunde hatte begeistern können. Ella interessierte sich schon immer für Mode. Im Grunde war dies das Paradies. Sie war stets nach den neuesten Trends gekleidet und bekam sogar Geld dafür, dass sie anderen Frauen erzählte, was angesagt war.
    An diesem heißen Freitag hatte Ella sich für einen kurzen schwarzen Rüschenrock entschieden. Dazu trug sie ein weißes T-Shirt, dessen Ärmel sie abgeschnitten hatte – ein Umstand den ihre Chefin verabscheute – und darüber ein neongrünfarbenes Netzhemd, das sie am unteren Ende mit einem Knoten zusammen hielt. Ihre Fingernägel sowie ihre Lippen waren pink und ihre Füße steckten in wundervollen, aus weichem Leder geschaffenen hohen Pumps, die ebenfalls pink waren und geradezu leuchteten.
    Mühevoll hatte sich Ella ihre glatten blonden Haare auftoupiert und diese eher unorganisiert mit zwei Stäbchen, die normalerweise beim Chinesen zum Essen gereicht wurden, auf dem Hinterkopf zusammengesteckt. Das war bei der Hitze äußerst angenehm. Zudem sah man so den einen riesigen Ohrclip besser, der ihr bis zur Schulter herunterreichte und beim Gehen immer hin und her wippte.
    Um 18 Uhr fing Ella an, die Kasse für den nahen Feierabend vorzubereiten. Eher unwahrscheinlich, dass sich in der letzten halben Stunde ein Kunde in den Laden verirrte, nachdem sie seit Stunden keinen Umsatz mehr hatte machen können. Dies war heute kein guter Tag und sie froh, dieser einen Kundin die sehr viel teurere Hose angedreht zu haben. Ella verstaute die Einnahmen in einer Geldbombe, die sie auf dem Weg nach Hause bei der Bank einzuwerfen hatte.
    Mit trommelnden Fingern wartete sie auf den Feierabend, stierte auf den Sekundenzeiger der riesigen Uhr, die an der Wand hing und dessen Ticken sie manches Mal in den Wahnsinn getrieben hatte. Jetzt schien ihr das Geräusch mit jeder Minute lauter zu werden. Den Schlüssel hatte sie bereits in der Hand, das Geld in ihrer Tasche verstaut, stand an der Tür und beobachtete, wie der Zeiger sich langsam quälend der Zwölf näherte.
    „Feierabend“, rief sie laut in den Laden und war im selben Moment verschwunden.
    Zu den großen Vorteilen ihrer Arbeit zählte die Nähe zu ihrer Wohnung, die sie zu Fuß erreichen konnte. Ihr Weg führte sie entlang der Hohen Bleichen bis sie den Fleet erreichte, der leider keine kühle Brise spendete. Eher das Gegenteil war der Fall, das abgestandene Wasser roch leicht modrig.
    Dennoch genoss sie den kurzen Fußweg, der sie entlang der Neustadt führte. Die Bürohäuser waren bereits zum Wochenende verwaist und alle Geschäfte hatten ebenso geschlossen, wie die kleine Boutique. Manche Verkäuferinnen kannte sie inzwischen vom Sehen, wenn Ella sie auf dem Nachhauseweg traf. Man wünschte sich ein schönes Wochenende und
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