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Sommermond

Titel: Sommermond
Autoren: M. Hart
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das sich sofort durch seine Eingeweide zog.
    „Alex …“, brachte er heiser hervor. Zu mehr Worten war er nicht imstande.
    Der Blonde fixierte ihn streng, vielleicht auch verletzt. Es war ein Gesichtsausdruck, den Ben bislang nicht von Alex kannte. Deshalb wurde er noch unsicherer. Ihre Blicke hafteten aneinander, fest und unnachgiebig. Ben wartete darauf, dass Alex irgendetwas erwiderte oder etwas tat, doch passierte das nicht. Der Blonde stand lediglich da und schien selbst nicht zu wissen, wie er das Gespräch beginnen sollte.
    Erst nach einer ganzen Weile senkte er seinen Kopf und blickte zur Seite. „Ich … ich …“, stammelte er und kratzte sich am Hinterkopf.
    In seinem Zustand wirkte er bemitleidenswert. In keiner Weise ähnelte er der Person, die Ben zu Beginn seines Praktikums kennengelernt hatte. Der Alex von vor wenigen Wochen war arrogant und hasserfüllt gewesen. Der Alex jetzt, der unsicher neben der Tür stand, wirkte leicht angreifbar und verletzlich.
    „Wieso gibst du dich als mein Bruder aus?“, brach Ben das Schweigen.
    „Deine Eltern haben mir verboten, dich zu besuchen“, erwiderte Alex und sprach damit wieder in ganzen Sätzen. Bens Blick wich er aus. „Ich wollte nur sicher gehen, dich sehen zu können. Ich weiß ja nicht, was deine Eltern hier für Gerüchte verbreitet haben.“
    Ben hörte aufmerksam zu. Dennoch schallten die Worte unbedeutend in ihm wider. Er verstand sie, konnte sie aber weder ordnen noch verarbeiten.
    „Was?“, fragte er ungläubig.
    Alex zuckte mit den Schultern und trat an Bens Bett vorbei zum Fenster. Er schob einen der gelborangen Vorhänge zur Seite und spähte nach draußen. Ben wusste, dass er mit dieser Geste nur Zeit gewinnen wollte. Er spürte, wie nervös Alex war. Offenbar schien er nicht zu wissen, wie er sich verhalten sollte.
    „Keine Ahnung.“ Alex zuckte mit den Schultern.
    Ben musste erst einmal schlucken. Er zog seine Decke etwas höher und versuchte, sich zu entspannen. So sehr er sich auch nach Alex‘ Gegenwart gesehnt hatte, wusste er nun nicht damit umzugehen. Dennoch entschied er sich dafür, den ersten Schritt zu wagen. Leise seufzte er auf und versuchte ein Lächeln.
    „Ich bin froh, dass du hier bist.“
    „Tz“, machte Alex und zuckte erneut mit den Schultern. Noch immer starrte er wie gebannt aus dem Fenster. „Deine Eltern sehen das anders. Die wollen mir den Kontakt zu dir verbieten … meinen, ich hätte auf dich geschossen.“
    Und da war sie wieder, die allgegenwärtige Erinnerung an das, was geschehen war. Es war nur ein Satz, den Alex ausgesprochen hatte. Doch dieser Satz glich einem schrillen Schrei, der bis in Bens tiefsten Verstand vordrang und seinen Herzschlag rasant in die Höhe trieb. Die Schmerzen in seiner Brust wurden kurzzeitig so stark, dass er die Augen schließen musste. Erst als die piependen Intervalle auf dem Monitor wieder größer wurden, schlug er die Lider auf und atmete tief durch. Als er seinen Kopf ein Stück zur Seite drehte, traf er auf Alex‘ Blick. Die blaugrauen Augen wirkten nahezu panisch. Der Blonde stand nun mit dem Rücken zum Fenster, die Hände umklammerten das Fensterbrett. Er war blass geworden.
    „Schon okay“, tat Ben schnell ab. „Es ist nur … keine Ahnung. Ich kann das alles noch nicht so ganz verarbeiten.“
    Alex erwiderte nichts. Er stand regungslos da und starrte ihn an.
    „Und zu meinen Eltern“, fuhr Ben ablenkend fort, „die haben sich da überhaupt nicht einzumischen. Ich bin ja keine zwölf mehr.“ Er stockte einen kurzen Moment und versuchte, sich ein wenig aufzurichten. „Außerdem wärst du ja wohl kaum hier, wenn du derjenige wärst, der auf mich geschossen hätte.“
    Alex schien sich allmählich wieder zu fangen. Seine Hände rutschten von der Fensterbank und tasteten sich stattdessen an der Wand entlang zu einem Gemälde. Es war ein hässliches Bild, das die Wand zierte. Der gut gemeinte Versuch, das Zimmer gemütlicher zu gestalten, schlug damit vollkommen fehl. Alex‘ Finger fuhren über die Glasfläche des Bildes und zogen den großen, goldenen Kreis nach, der sich inmitten von farbchaotischen Klecksen und Strichen befand.
    Ben beobachtete ihn. Noch immer herrschte eine gewisse Angespanntheit zwischen ihnen. Es war, als ob keiner von ihnen dazu bereit war, die aktuellen Umstände zu thematisieren.
    „Mir geht’s übrigens gut“, brach es dann aus Ben heraus. „Danke der Nachfrage.“
    Er hatte schneller gesprochen, als er darüber
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