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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Autoren: William Boyd
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– wie hieß er doch gleich? – , mit einem kurzen Pony, ganz ohne Scheitel, wie es jetzt Mode war. Nein, dachte er, pas mon style . Wieder schluckte er – er hatte wirklich Halsschmerzen. Er verließ das Zimmer, schloss die Tür ab und ging zum Lift. Während er den Knopf drückte, dachte er, ja, Rührei mit Speck, jede Menge Kaffee, eine Zigarette, dann wäre alles wieder im Lot –
    Die Lifttüren öffneten sich.
    »Guten Morgen«, sagte eine Frauenstimme von drinnen.
    »Morgen«, erwiderte Bond mechanisch und trat hinein. Den Duft erkannte er auf Anhieb – die Vanille- und Irisnoten von Guerlains Shalimar. Ein unvergesslicher Duft, den seine Mutter früher benutzt hatte. Ihm war, als hätte er die Tür zu seiner Kindheit geöffnet. So vieles aus seiner Vergangenheit stürmte heute auf ihn ein, dachte Bond und blickte zu der Frau, die in der Ecke lehnte. Sie lächelte ihm zu, mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue.
    »Alles Gute zum Geburtstag?«, sagte sie.
    »Woher wissen Sie, dass ich Geburtstag habe?« Bond gelang es mit einiger Mühe, nicht allzu überrascht zu klingen.
    »War bloß geraten«, erklärte sie. »Es ist mir nicht entgangen, dass Sie gestern Abend gefeiert haben. Genau wie ich – das merkt man sofort. Feiernde unter sich.«
    Bond räusperte sich, die Hand am Krawattenknoten, und rief sich den Vorabend in Erinnerung. Die Frau hatte ebenfalls im Speisesaal gesessen, ein paar Tische von ihm entfernt.
    »Stimmt«, sagte er etwas zerknirscht. »Ich habe Geburtstag … « Er spielte auf Zeit, sein Verstand kam nur langsam in Gang. An diesem Morgen war er definitiv nicht auf dem Posten. Der Lift surrte nach unten in die Lobby.
    »Und Sie … was haben Sie gefeiert?«, fragte er. Jetzt fiel es ihm wieder ein – sie hatten beide Champagner getrunken und einander von fern zugeprostet.
    »Den vierten Jahrestag meiner Scheidung«, antwortete sie trocken. »Das ist mittlerweile ein festes Ritual. Ich gönne mir Cocktails, ein festliches Abendessen, Jahrgangschampagner und eine Nacht im Dorchester – und dann schicke ich ihm die Rechnung.«
    Die Frau war hochgewachsen, langgliedrig, Bonds Schätzung nach etwa Mitte dreißig, sie hatte ein schönes, markantes Gesicht und dicke, honigblonde Haare, schulterlang und in einer schwungvollen Welle nach außen frisiert. Blaue Augen. Skandinavierin? Sie trug einen einteiligen Hosenanzug aus marineblauem Jersey mit einem auffälligen goldenen Reißverschluss, der knapp oberhalb der Lenden ansetzte und bis zum Hals reichte. Der enganliegende Stoff brachte ihre vollen Brüste zur Geltung, wie Bond anerkennend registrierte. Für den Bruchteil einer Sekunde flackerte Lust in seinen Augen auf, ein bewusstes Signal, das von seinem Gegenüber sofort erwidert wurde: Botschaft angekommen.
    Die Lifttüren gingen mit einem »Ping« auf – Erdgeschoss.
    »Einen schönen Tag noch«, sagte sie lächelnd und entschwand in die weitläufige Lobby.
    Im Speisesaal bestellte Bond eine große Portion Rührei und dazu ein halbes Dutzend Scheiben grünen Speck, gut durchgebraten. Während er auf sein Frühstück wartete, nahm er einen tüchtigen Schluck starken, schwarzen Kaffee und steckte sich die erste Zigarette des Tages an.
    Man hatte ihm den gleichen Tisch zugewiesen wie am Vorabend. Die Frau hatte zu seiner Linken gesessen, drei Tische weiter in der Ecke, so dass Bond den Kopf nur leicht zu drehen brauchte, um eine perfekte Sicht zu haben und ihr eine ebenso perfekte Sicht zu bieten. Vor dem Essen hatte Bond zwei Dry Martinis im Fielding’s getrunken, dem privaten Spielkasino, wo er beim Chemin de fer binnen zwanzig Minuten fast hundert Pfund verlor, aber davon wollte er sich auf keinen Fall den Abend verderben lassen. Zur Vorspeise, gebratenen schottischen Jakobsmuscheln mit einer Beurre-Blanc-Sauce, hatte er eine Flasche Taittinger Rosé 1960 bestellt, und als er das Glas erhob, um sich selbst – im Stillen – zum 45. Geburtstag zu gratulieren, fiel ihm die Frau ins Auge, die wenige Tische von ihm entfernt mit einer geradezu spiegelbildlichen Geste ebenfalls ihr Champagnerglas erhob. Ihre Blicke trafen sich – Bond zuckte mit den Schultern, lächelte und prostete ihr amüsiert zu. Sie prostete zurück, und damit war die Sache für ihn erledigt gewesen. Als sie ging, nahm er gerade die Flasche Chateau Batailley 1959 in Augenschein, die er zum Hauptgang – Rinderfilet, blutig, mit Pommes dauphinoises – trinken wollte, so dass er die Frau kaum wahrgenommen hatte, als
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