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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Autoren: William Boyd
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Abendessen vorzubereiten (um sechs hatte sie Feierabend), und ließ die Handwerker allein, so dass sie hinter seinem Rücken über ihn herziehen konnten.
    Draußen schien eine diesige Nachmittagssonne, und die Luft war angenehm mild. Er bummelte in Richtung Westen über die King’s Road zum Café Picasso, um dort ein spätes Mittagessen einzunehmen. So belebt die King’s Road war, stellte Bond fest, dass er gar kein Auge hatte für die bunte Parade von Kauflustigen, Selbstdarstellern, Neugierigen, für die unbekümmerten, gut betuchten jungen Leute in ihren geradezu karnevalesken Aufzügen. Es gab da etwas (ein Geräusch oder vielleicht ein flüchtiges Bild), das die Erinnerung an seinen morgendlichen Traum wieder wachgerufen hatte, und er befand sich erneut in Nordfrankreich, im Jahr 1944 , und lief durch einen alten Eichenwald auf ein einsames Schloss zu …
    Für Bond sah es ganz danach aus, als wäre das Chateau Malflacon am D-D ay einem Raketenangriff durch eine Hawker Typhoon zum Opfer gefallen. Die klassische Fassade war mit den flachen Einschlägen von RP - 3 -Raketen übersät und der linke Schlossflügel war komplett ausgebrannt, der verkohlte Dachstuhl schwelte noch im blassen Sonnenlicht. Bizarrerweise lag ein totes Shetlandpony auf der ovalen Rasenfläche, die vom Kiesrund der Einfahrt eingefasst wurde. Weit und breit war kein Fahrzeug zu sehen, und alles wirkte still und verlassen. Die Männer der BRODFORCE duckten sich unter die Bäume des dicht bewaldeten Schlossparks und warteten, während Major Brodie das Gebäude durch sein Fernglas musterte. Bond erinnerte sich an lautes Vogelgezwitscher. Es wehte eine leichte, kühle Brise.
    Major Brodie schlug dann vor, dass Korporal Dave Tozer und Leutnant Bond sich anschleichen und die Rückseite des Schlosses erkunden sollten. Er würde ihnen zehn Minuten Vorsprung gewähren, bevor die restlichen Männer durch den Vordereingang stürmten, das Gebäude besetzten und mit der Durchsuchung anfingen.
    Damals war die Sonne genauso blass und diesig wie heute, dachte Bond auf dem Weg zum Café Picasso – deswegen musste er an jenen 7. Juni zurückdenken, es war auch so ein lindlauer, friedlicher, zitronengelber Tag gewesen. Dave Tozer und er hatten sich quer durch den Wald geschlagen und waren an einem leeren Stallgebäude vorbeigeflitzt, bevor sie schließlich einen stattlichen, wenngleich vernachlässigten und dornenüberwucherten Obstgarten erreichten. Es waren vor allem Apfel-, Quitten- und Birnbäume, insgesamt rund sechzig oder siebzig, doch darunter befanden sich hier und da auch ein paar Kirschbäume, die bereits büschelweise dicke, braunrote Früchte trugen. »Na so was«, hatte Tozer gerufen und grinsend eine große Handvoll gepflückt. »Die sollten wir uns greifen, bevor die anderen kommen.« Bond wollte gerade die Hand heben, um Tozer zur Vorsicht zu mahnen, als er Holzrauch roch. Außerdem glaubte er, hinter dem Obstgarten Stimmen zu hören, während Tozer weiterhin auf die leuchtenden Kirschen zuhielt und dabei ein Kaninchenloch übersah. Sein linker Fuß verfing sich darin, und Tozer verdrehte sich den Knöchel, der mit einem vernehmlichen Knacksen brach, wie trockenes Kleinholz, das Feuer fängt.
    Tozer ächzte vor Schmerz, doch da er die Stimmen inzwischen auch gehört hatte, verkniff er sich jeden Schrei. Er winkte Bond zu sich und flüsterte: »Nehmen Sie meine Sten.« Bond war selbst bewaffnet. Er zog seinen Webley-Revolver Kaliber .38 aus dem Gürtelhalfter und überreichte ihn widerstrebend Tozer, bevor er dessen Maschinenpistole aufhob und vorsichtig nach hinten schlich, in Richtung der Männerstimmen …
    Bond setzte sich an einen Tisch draußen vor dem Café Picasso, immer noch in Gedanken versunken. Beim Blick in die Speisekarte zwang er sich zur Konzentration und bestellte bei der Kellnerin eine Portion Lasagne und ein Glas Valpolicella. Beruhige dich, ermahnte er sich, das ist vor einem Vierteljahrhundert passiert – in einem anderen Leben. Die Eindrücke, die er heraufbeschwor, waren aber so frisch, als stammten sie aus der vergangenen Woche. Die dicken, glänzenden Kirschen, Dave Tozers verzerrtes Gesicht, die Rauchschwaden und der Klang deutscher Stimmen – all das kam ihm mit überwältigender Klarheit wieder in Erinnerung.
    Er sah sich um, froh über die Ablenkung, die ihm das ausgefallene Publikum des Cafés Picasso bot – dunkeläugige junge Frauen in kurzen Kleidchen, langhaarige junge Männer in Knautschsamt und
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