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Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Autoren: William Boyd
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Schreibtischschublade. Dennis Fieldfare hatte das Dokument im Handumdrehen rekonstituiert – es sah genauso aus wie der Pass, den Bond sich ursprünglich geborgt hatte, nur dass Bryce sich eines Tages vielleicht fragen würde, wie sie an diese amerikanischen Grenzbehördenstempel gekommen war, während sie zur selben Zeit im Themsetal Vampiria drehte. Bond ging aber davon aus, dass sein Diebstahl unentdeckt geblieben war. Bryce würde nie erfahren, wie sehr sie ihm geholfen hatte.
    Nachdem sie gegessen und getrunken hatten, liebten sie sich, als wären ihre Körper schon seit jeher miteinander vertraut.
    »Ich bin so froh, dass du wieder da bist«, sagte sie, in seinen Armen liegend, und strich ihm mit einem Finger über die Stirnlocke. »Du hast mir gefehlt, so merkwürdig sich das anhören mag. Und denk dran, dass du mir eine Ferienreise versprochen hast.«
    »Ich werde mit dir nach Jamaika fliegen«, sagte er. »Warst du schon mal dort?«
    »Nein. Das ist ja großartig.«
    »Mach dich auf die Reise deines Lebens gefasst.«
    »Wie kann ich Ihnen nur danken, Mr Bond?« Sie rückte zu ihm auf und küsste ihn, ließ ihre Zunge noch ein wenig in seinem Mund verweilen. »Vielleicht lasse ich mir ja etwas Besonderes einfallen … «, sagte sie und riss ihm das Laken weg.
    Bond fuhr hoch. Er hatte ein Geräusch gehört. Nun hörte er es wieder – das harte Prasseln feinen Kieses gegen die Fensterscheibe, fast wie bei einem Regenschauer. Er sah auf die Uhr: 4:55 Uhr. Bryce schlief tief und fest. Bond schlüpfte aus dem Bett und spähte durch den Vorhangspalt. Er konnte den Rasen erkennen, der sich im Mondlicht als matte graue Fläche erstreckte, und dahinter, durch eine Reihe von Bäumen hindurch, den silbrigen Fluss bei Flut. Dann glaubte er, im Dunkeln eine Schattengestalt auszumachen, die sich bewegte, und fühlte plötzlich eine große Anspannung. Er sammelte Kleidung und Schuhe ein, verließ leise das Schlafzimmer und zog sich rasch im Flur an. Er streifte Socken und Schuhe über, dann sein Jackett, und stopfte die Krawatte in die Tasche. Jemand war im Garten, und er würde herausfinden, wer es war.
    Bond ging nach unten, ohne das Licht anzumachen. Er kannte natürlich diesen alten Einbrechertrick – man warf ein paar Kiesel gegen das Fenster, und wenn kein Licht anging, konnte man getrost das Erdgeschoss ausräumen. Im Wohnzimmer nahm er den Schürhaken vom Kamin und lief vorsichtig in die Küche. Geduckt spähte er durch das Fenster auf den inmitten seiner hohen Mauern gespenstisch wirkenden Garten. Wieder glaubte er in der großen Staudenrabatte neben dem Feigenbaum etwas zu sehen, was sich bewegte. Ob das eine optische Täuschung war? Den prasselnden Kies hatte er sich jedenfalls nicht eingebildet. Vielleicht sollte er einfach das Licht anmachen, damit der Eindringling gewarnt war und sich ein anderes stattliches Haus in Richmond zum Ausrauben suchte. Der »Weckruf« hatte bei Bond allerdings ein ungutes Vorgefühl ausgelöst. Eine Handvoll Kies. Eine Handvoll Münzen … Vielleicht wollte ihn jemand in die Dunkelheit hinauslocken. Er musste der Sache auf den Grund gehen.
    Bond trat durch die Küchentür in den Garten. Es war so kalt, dass sein Atem kondensierte, das erste Anzeichen des nahenden Winters. Er schloss die Faust um den Schürhaken und lief den Ziegelpfad hinunter, der in Richtung Flusspromenade zum Mauertörchen führte. Unterwegs hielt er inne und horchte. Nichts. Blätterrascheln im Wind. Bond ging auf die Rabatte zu, in der sich vermeintlich etwas bewegt hatte.
    Er blieb am Rand des Rasens stehen und hielt Ausschau nach zerdrückten Stängeln oder Blättern. Dann zog er sein Feuerzeug aus der Tasche, kauerte sich hin und hielt die Flamme dicht über den Boden. Ein paar lose Blätter, eine merkwürdig geknickte Pflanze. Bond hielt die Flamme schräg – und da entdeckte er die Fußabdrücke. Sie waren frisch und aufgrund der feuchten Erde gut zwei Zentimeter tief. Er zählte vier Abdrücke. Jemand war hier gewesen. Bond fiel ein Abdruck des rechten Fußes besonders auf, der seltsam nach innen verdreht wirkte und fast den Abdruck des linken Fußes überlappte. Außerdem hatte sich der rechte Absatz tiefer in die Erde gebohrt. Neben den Fußabdrücken sah Bond eine Reihe runder Löchlein, als hätte der Eindringling sich auf einen Stock oder eine Krücke gestützt. Das ist doch Wahnsinn, dachte Bond, und dennoch sagte ihm sein Verstand, es könne sich um jemanden mit einer Gehbehinderung handeln.
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