Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)

Titel: Solo: Ein James-Bond-Roman (German Edition)
Autoren: William Boyd
Vom Netzwerk:
war und sie heimlich beobachtet hatte, dass er unbefugt in ihre Privatsphäre eingedrungen war? Wirkten sie deswegen so erotisch, auf verquere Weise erregend? Eines stand fest – er musste sie unter allen Umständen wiedersehen. Die Sache war noch nicht gelaufen.
    Er kurbelte das Fenster herunter, um ein bisschen frische Luft einzulassen. Sein Gesicht fühlte sich heiß an, er wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen. Beim Überqueren der Chiswick Bridge fuhr er durch die Rauchschwaden eines frühabendlichen Lagerfeuers. Die damit verknüpften Assoziationen versetzten ihn auf Anhieb wieder in die Welt seines Kriegstraums, in den Obstgarten des Chateaus Malflacon, wo er von Baum zu Baum huschte, Korporal Tozers schwere MP haltend, und auf den Klang der – unbefangen plaudernden – deutschen Stimmen achtete, die immer lauter wurden, je näher er rückte.
    Bond hielt an einer roten Ampel. Der Jensen stach einem Passanten ins Auge, der ihm zurief: »Nette Karre, Kumpel!« Bond sah nicht einmal zu ihm hin – er war an einem anderen Ort, in einer anderen Zeit, die 25 Jahre zurücklag. Dieser Holzrauch, dachte er, als befände er sich wirklich in dem normannischen Obstgarten und suchte hinter jedem Baum Deckung. Am Ende des Gartens hatte er das Feuer dann schließlich gesehen, hoch aufgetürmte Schriftenordner und durcheinandergeworfene Karteikästen, die vor sich hin glimmten, einzelne Rauchfahnen, die aus der Papiermasse drangen, aber so recht brennen wollte das Ganze noch nicht. Drei junge deutsche Soldaten – seines Alters, noch Teenager – kippten lachend und scherzend die letzten Karteikästen auf den Haufen aus. Einer von ihnen benutzte eine langstielige Grabeforke, um die zusammengeschnürten Papierbündel aufzuspießen und auf den glimmenden Haufen zu schichten. Registratoren, Stenografen, Funker, vermutete Bond, die im Chateau verblieben waren, mit der Anweisung, alles zu verbrennen, bevor sie gingen. Sie ahnten nicht, dass Major Brodie und die restliche BRODFORCE gleich durch den Vordereingang hereinstürmen würden.
    Der Junge mit der Grabeforke hatte bereits die Jacke ausgezogen und stand in wollenem Unterhemd und olivgrünen Hosenträgern da. Er warf die Forke weg und schüttete Benzin aus einem Kanister über den ganzen schwelenden Papierberg. Dann warf er den Kanister ins Gras und suchte in seinen Taschen nach Streichhölzern. Einer seiner Kameraden warf ihm eine Schachtel zu.
    Bond trat mit erhobener Maschinenpistole zwischen den Bäumen hervor.
    »Weg vom Feuer«, sagte er in ihrer Sprache.
    Die anderen verfielen beim Anblick eines britischen Soldaten, der überdies Deutsch sprach, zunächst in Schockstarre. Zwei Registratoren ergriffen sodann die Flucht und rannten panisch in den Wald. Bond ließ sie ziehen. Der Junge mit den Hosenträgern gab den Helden und hantierte ungeschickt mit seinen Streichhölzern. Anscheinend zündeten sie nicht richtig.
    »Lass das«, warnte ihn Bond und spannte die Sten. »Sonst schieße ich.«
    Als es dem Jungen endlich gelang, ein Streichholz zu zünden, ließ er es sofort wieder fallen. Er versuchte es gleich noch einmal. Bond fragte sich, ob er verrückt war.
    »Sei kein Narr«, sagte er, reckte die Sten und wollte in die Luft schießen.
    Nichts. Nur das sinnlose Klicken des Abzugs. Die Sten hatte Ladehemmung – der Fluch aller Sten-Pistolen. Rußablagerung im Verschluss oder eine Fehlfunktion der Lademechanik. Für diesen Fall galt die Anweisung, das Magazin herauszunehmen, damit leicht gegen das Knie zu klopfen und dann wieder einzulegen. Bond zog das nicht ernsthaft in Betracht.
    Der Junge mit den Hosenträgern sah Bond an und schien dabei zu lächeln. Bedächtig nahm er das nächste Streichholz und riss es an. Das Streichholz flammte auf.
    »Jetzt bist du der Narr«, sagte der Junge. Er warf das Streichholz auf den Papierhaufen. Die ersten kleinen Flammen flackerten auf.
    Bond schlug gegen das Magazin der Sten und entsicherte sie. Dann drückte er mehrere Male ab. Immer noch nichts. Klick-klick-klick. Der Junge bückte sich nach der langstieligen Forke. Bond sah, dass sie mit drei leicht gekrümmten, rund dreißig Zentimeter langen Zinken versehen war.
    Wieder entsicherte Bond die Sten und richtete sie auf den Jungen.
    »Forke weg«, sagte er. »Sonst bring ich dich um.«
    Der Junge trat rasch auf ihn zu und stieß ihm die Forke entgegen. Plötzlich waren die scharfen, glänzenden gekrümmten Zinken nur wenige Zentimeter von Bonds Brust und Hals
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher