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Solar

Solar

Titel: Solar
Autoren: Ian McEwan
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verschiedenen Berechnungen ergibt, die dann in seinen Notizen weiter ausgeführt wurden. Und bevor Sie mir erzählen, Mr Beard, dass er das alles irgendwie von Ihnen bekommen haben muss, obwohl er Sie zu der Zeit noch gar nicht kannte, darf ich Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Unsere Kanzlei hat jeden Vortrag, jede Radiosendung, jedes Interview, jede Stellungnahme in der Presse, jede Vorlesung in der Universität, kurzum alles, was Sie in der Öffentlichkeit gesagt haben, gründlich recherchiert und analysiert, und nichts davon handelt von künstlicher Photosynthese, auch von Klimawandel oder erneuerbarer Energie ist bei Ihnen in den Monaten und Jahren vor Mr Aldous' Tod - bevor also seine Unterlagen in Ihren Besitz gelangt sind - mit keinem Wort die Rede. Nicht gerade das, was man von einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens erwarten würde, die auf diesem Gebiet bahnbrechende Entdeckungen gemacht hat, nicht wahr, Mr Beard?«
    Hammer war wieder in sich zusammengesunken, Beard hingegen packte endlich die Wut. Was hatte dieser alberne Mensch in seinem Zimmer zu suchen, was saß der so steif auf diesem Bett, das noch Minuten zuvor Darlenes prächtigen Leib beherbergt hatte? Beard sprang auf, hielt mit einer Hand den Morgenmantel vor seinem Geschlechtsteil zusammen und richtete mit der anderen einen Finger auf Barnards Gesicht. »Klimawandel? Sie belieben zu vergessen, dass ich bereits der Direktor des Instituts war, bevor ich Tom Aldous auch nur zum ersten Mal gesehen habe. Sie haben ein Erfolgshonorar vereinbart, Mr Barnard? Sie wollen reich werden? Nun, ich habe Ihrem Mr Braby etwas auszurichten. Sagen Sie ihm, miese Schmarotzer wie ihn kenne ich zur Genüge. Wir haben hier etwas Wunderbares geschaffen, und jetzt meint er, er könne auf den fahrenden Zug aufspringen. Und er ist sogar so dumm, einem Gericht weismachen zu wollen, eine wissenschaftliche Hilfskraft könnte so etwas allein im stillen Kämmerlein aushecken. Morgen wird unsere Anlage Lordsburg mit sauberem und billigem Strom beliefern. Sagen Sie Mr Braby, er soll sich das im Fernsehen ansehen. Wir erwarten ihn vor Gericht!«
    Barnard war ebenfalls aufgestanden und hielt sich den Aktenkoffer vor die Brust. Er schüttelte den Kopf, in seiner gepressten Stimme schwang etwas Neues mit, Entrüstung oder Stolz oder eine Mischung aus beidem. »Eins sollten Sie noch wissen. Es gibt keinen Mister Braby mehr. Die Queen hat ihn aus Anlass ihres Geburtstags im vorigen Monat zum Ritter des Königreichs geschlagen. Er ist jetzt Sir Jock Braby.«
    Beard stöhnte verzweifelt auf und hob theatralisch eine Hand an die Stirn. In Hammers Augen aber blitzte Panik auf. Wenn Braby die Königin von England auf seiner Seite hatte - was für Chancen sollten sie dann noch vor einem englischen Gerichtshof haben?
    Beard sagte: »Das ist alles Mist, Toby. Hör nicht drauf. Hier geht es um die Ehrenliste zum Geburtstag der Queen. Sie wählt die Leute nicht selber aus, sie hat keine Ahnung von dem Scheiß, aber alles drängt sich, um auf die Liste zu kommen, jeder Trottel, jeder Emporkömmling aus Wissenschaft, Kunst oder Staatsdiensten, alle stolzieren sie dort herum und hoffen, in die niederen Ränge der Aristokratie aufgenommen zu werden.«
    Auf diesen Ausbruch folgte Schweigen, bis Barnard mit einem Seufzer um das Bett herum einen Schritt zur Tür machte. »Wir sollen also annehmen, Mr Beard, dass Ihre Majestät nicht dazu gekommen ist, Sie auszuwählen?«
    »Darüber steht mir kein Urteil zu«, sagte Beard spröde.
    Barnard ließ den Aktenkoffer sinken und an seiner Seite baumeln. Auch Toby war aufgestanden. Barnard sagte: »Gut, im Namen Sir Jock Brabys und des Nationalen Instituts für Erneuerbare Energien erkläre ich es Ihnen ein letztes Mal. Wenn Sie die morgige Veranstaltung absagen und sich die patentrechtliche Situation noch einmal durch den Kopf gehen lassen wollen, werden wir Ihnen entgegenkommen und gemeinsam gewiss einen Weg finden, wie Sie an der Entwicklung einer Technik teilhaben können, die rechtmäßig dem Institut gehört. Wenn nicht, gehen wir vor Gericht und lassen jede weitere kommerzielle Verwertung stoppen, bis die Angelegenheit aufgeklärt ist.«
    Hammer drehte sich zu Beard um, er schien kurz davor, einen Kniefall zu machen. »Michael, das könnte fünf Jahre dauern.«
    Beard schüttelte den Kopf. »Nein, Toby. Ich sage nein.«
    Barnard fügte hinzu: »Die britische Regierung lässt sich diese Angelegenheit durchaus etwas kosten. Es besteht großes
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