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0836 - Die Traumzeit stirbt!

0836 - Die Traumzeit stirbt!

Titel: 0836 - Die Traumzeit stirbt!
Autoren: Christian Schwarz
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Woturpa vom Stamme der Aranta rief ihn dringend zum Uluru. Laink sollte mithelfen, die Schöpfung selbst zu retten, denn irgendetwas Unheimliches, Unfassbares wandelte auf Traumzeitpfaden und zerstörte sie. Laink erschauerte. Kein Aborigine hatte es bisher geschafft, ihn in der heiligen Trance zu erreichen. Welch unglaubliche Macht besaß also dieser Woturpa? Und wer war der Kerl überhaupt?
    Dem Ruf wohnte etwas derart Machtvolles inne, dass es Laink die letzten Reserven kostete, ihm zu widerstehen. Aber unter Keuchen und Stöhnen schaffte er es schließlich doch. Es ging nicht an, dass er alles stehen und liegen ließ! Tjorta Tjungarai, der hin und wieder als Ringo, als Cowboy, bei den Weißburschen arbeitete und deswegen auch Old Bulla genannt wurde, verdiente den Tod. Als Uneingeweihter hatte er eine sakrale Zeremonie gestört und damit gegen das Alte Gesetz verstoßen. Dem Rat der Alten war gar nichts anderes übrig geblieben, als Old Bulla zum Tode zu verurteilen und den Katatji, den Rituellen Töter, zu rufen. Und wie es bei den Pintubi Brauch war, wurde ein Katatji vom Nachbarstamm der Pitjantjara beauftragt, um den Gesetzesbrecher zu exekutieren. Meist wurde Laink angefordert, denn es gab im Moment keinen stärkeren Katatji als ihn. Auf dem ganzen Kontinent nicht. Er tötete mit wesentlich größerer Präzision, als es die Gewehre der Weißburschen vermochten. Welches seiner Opfer hätte sich je dem Mentalen Schlag widersetzen können?
    Laink hatte also durchaus einen Ruf zu verlieren. Davon abgesehen wäre es überaus gefährlich gewesen, den einmal eingeleiteten Tötungsvorgang vor Vollendung abzubrechen. Ein Fehler im Zeremoniell konnte nämlich die gerufenen Kräfte umlenken und den sofor tigen Tod des Katatji bedeuten. Wäre dies Laink nicht widerfahren, hätte er trotzdem mit einem Todesurteil rechnen müssen, denn der Rat der Alten duldete keine Versager unter den Katatji. Laink war zwar stark. Aber gegen einen Verbund von vier oder fünf anderen Katatjis hätte auch er nicht bestehen können. So setzte er alles daran, die Sache hier zu beenden, bevor er zum Uluru aufbrach.
    Laink schüttelte sich kurz und vollendete den Geheimen Griff. Lautlos sank sein Opfer in den roten Sand. Er ignorierte die Freunde Old Bullas, die ihn respektvoll, wenn nicht gar ängstlich anstarrten, nahm den Seelenstein zur Hand und führte an verschiedenen Körperstellen des Ohnmächtigen die vorgeschriebenen symbolischen Schnitte aus, um den Beginn der eigentlichen Tötung einzuleiten. Laink ächzte da bei. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Die Kräfte von Woturpas Ruf wirkten noch immer in ihm nach. Als er es schließlich doch geschafft hatte, glänzte Schweiß auf seiner Stirn, etwas, das nie zuvor in dieser Situation ge schehen war.
    Laink zog sich hinter einen mächti gen Eukalyptusbusch zurück. Er spür te Schwäche in den Beinen und hätte sich am liebsten in das grün-gelbe Spinifex-Gras sinken lassen. Mit Mu he hielt er sich aufrecht und beobach tete die Szenerie weiter. Als sich Old Bulla auch nach fünf Minuten noch nicht wieder erhob, wollte Panik in Laink hochsteigen. Hatte Woturpas Hui die genaue Dosierung seiner Kräfte ge stört? Hatte er deshalb schon mit dem Geheimen Griff getötet? Es durfte nicht sein. Der Katatji sandte tausend Dank gebete zur Großen Regenbogenschlange, als sich Old Bulla schließlich doch erhob und zu seinen Freunden plauderte, als sei zuvor nichts gewesen. Dabei erzählte er auch von seinem Verstoß gegen das Alte Gesetz . In diesem Moment trat Laink hinter dem Eukalyptusbusch hervor. Old Bulla, der genau in seine Richtung blickte, sah ihn trotzdem nicht. Erst, als dessen Freunde auf den Katatji zeigten, erkannte der Todgeweihte die gefürchteten Symbole aus weißem Adlerflaum, mit denen der Henker Gesicht und Oberkörper beklebt hatte. Jähes Erschrecken verzerrte sein altes, bärtiges Gesicht zu einer fürchterlichen Fratze, als er sich urplötzlich mit seinem Schicksal konfrontiert sah.
    Das war der Moment, in dem Laink den Mentalen Schlag aussandte. Es war auch der Moment, in dem Woturpas Ruf ein zweites Mal in ihm hochbrandete, um ein Vielfaches mächtiger und eindringlicher noch als zuvor. Laink schrie. Woturpas Kräfte verstärkten den Mentalen Schlag ins Unermessliche. Zwar löste die geistige Waffe des Katatji beim Delinquenten sofortiges Herzversagen aus. Doch das damit einhergehende Aufblähen des Bauches stoppte diesmal nicht bei den Abmessungen eines Luftballons.
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