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Nacht in Havanna

Nacht in Havanna

Titel: Nacht in Havanna
Autoren: Martin Cruz Smith
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    MARTIN CRUZ SMITH
     
    Nacht in Havanna
     
     
    ROMAN
     
    Deutsch von Kristian Lutze
     
    Das Original erscheint 1999 unter dem Titel »Havana Bay«
     
    Für EM
     
     
    1
     
    Das Polizeiboot richtete seinen Scheinwerfer auf teerbedeckte Pfähle und tauchte die schwarze Szenerie in gleißendes Weiß. Bis auf eine Reihe von Lichtern entlang der Kaimauer lag Havanna unsichtbar auf der anderen Seite der Bucht. Oben leuchteten die Sterne, unten die Ankerlichter, ansonsten war das Hafenbecken ein stiller Tümpel in der Nacht.
    Getränkedosen, Hummerkörbe, Fischerflöße, Matratzen und Styroporstücke mit Algenbärten trieben auf dem Wasser, als die Spurensicherung der Policia Nacional Revolucionaria Blitzlichtaufnahmen machte. In seinen Kaschmirmantel gehüllt, wartete Arkadi zusammen mit Capitán Arcos, einem kleinen Mann mit gewölbter Brust, der aussah, als hätte man ihn in seine Drillichuniform gebügelt, und dem großen, schwarzen, kantigen Sargento Luna. Criminalista Osono, die zuständige Kommissarin, war eine kleine, dunkle Frau in einer blauen PNR-Uniform; sie bedachte Arkadi mit dem routiniert feindseligen Blick einer Katze. Ein Kubaner namens Rufo war als Dolmetscher von der russischen Botschaft abgestellt worden. »Es ist ganz einfach«, übersetzte er die Worte des Capitán. »Sie sehen sich die Leiche an, identifizieren sie und fliegen wieder nach Hause.«
    »Klingt einfach genug.« Arkadi bemühte sich, höflich zu sein, obwohl Arcos sich benahm, als drohte jeder Kontakt mit Russen ihn zu verseuchen.
    In dem Gesicht der Kommissarin verbanden sich die jugendlichen Züge eines naiven Mädchens mit der ernsten Miene eines Henkers. Sie sagte etwas, und Rufo erklärte: »Criminalista Osorio sagt, dies ist die kubanische Methode, nicht die russische oder die deutsche. Die kubanische Methode. Sie werden sehen.«
    Bisher hatte Arkadi noch kaum etwas gesehen. Er war im Dunkeln auf dem Flugplatz gelandet und im Handumdrehen von Rufo abgeschleppt worden. Sie fuhren in einem Taxi Richtung Innenstadt, als Rufo einen Anruf auf seinem Handy erhielt, der sie zur Bucht umleitete. Arkadi hatte schon jetzt das Gefühl, unwillkommen und unbeliebt zu sein.
    Rufo trug ein weites Hawaiihemd und erinnerte vage an Muhammed Ali. »Criminalista Osorio sagt, sie hofft, daß Sie nichts dagegen haben, die kubanische Methode zu lernen.«
    »Ich freue mich schon darauf.« Niemand sollte Arkadi nachsagen können, er sei kein guter Gast. »Können Sie sie fragen, wann die Leiche entdeckt wurde?«
    »Vor zwei Stunden von dem Boot.«
    »Die Botschaft hat mir gestern eine Nachricht geschickt, daß Pribluda Probleme habe. Warum haben Sie das gesagt, bevor die Leiche gefunden wurde?«
    »Sie sagt, Sie sollen die Botschaft fragen. Sie hat jedenfalls keinen Ermittler erwartet.«
    Offenbar ging es um die Berufsehre, und diesbezüglich fühlte Arkadi sich massiv deklassiert. Capitán Arcos spähte ungeduldig in die Dunkelheit wie Kolumbus an Deck seines Schiffs, Sargento Luna stand wie ein bedrohlicher Schatten hinter ihm. Kommissarin Osorio ließ Holzböcke aufstellen und ein Plastikband mit der Aufschrift »No Pase« spannen. Als ein Motorradpolizist mit weißem Helm und Sporen an den Stiefeln auftauchte, verscheuchte sie ihn mit einem gebellten Befehl, der Stahl hätte ritzen können. Sobald das Band aufgewickelt war, tauchten von irgendwoher Männer in T-Shirts auf - was war es, was einen gewaltsamen Tod so attraktiv machte, fragte sich Arkadi. Die meisten Schaulustigen waren schwarz; Havanna war sehr viel afrikanischer, als Arkadi erwartet hatte, obwohl die Schriftzüge auf den T-Shirts amerikanisch waren. Einer der Männer an der Absperrung hatte ein Radio in der Hand, aus dem es plärrte: »Lafiesta no es para losfeos. Quefeo es, senor. Super feo, amigo mio. No puedes pasar aqui, amigo. La fiesta no es para losfeos.«
    » Was bedeutet das?« fragte Arkadi Rufo.
    »Das Lied? Es heißt: >Diese Party ist nicht für häßliche Leute. Tut mir leid, mein Freund, du kannst nicht kommen.<« Und trotzdem bin ich hier, dachte Arkadi.
    Hoch am Himmel zeichnete sich ein Kondensstreifen ab, und vor Anker liegende Schiffe schälten sich aus dem Dunkel, wo noch kurz zuvor nur Lichter auszumachen gewesen waren. Auf der anderen Seite der Bucht tauchten die Ufermole und die Häuser Havannas aus dem Wasser, Hafenanlagen breiteten sich aus, und entlang der inneren Bucht stellten Ladekräne sich auf ihre Füße. »Der Capitán ist empfindlich«,
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