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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht
Autoren: Steven Spruill
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sich ein wenig um und unter suchte die dunkle Baumreihe jenseits des South Drive, dann die Straße selbst, danach die lange, steinerne Flanke der Kathedrale. Nichts. Er konzentrierte sich auf die Wand der Kathedrale, untersuchte den bleichen Stein, die bunten Glas fenster. Der Nebel war davongeweht, und jetzt konnte er die Flucht der Stützpfeiler sehen. An der tiefsten Stelle eines jeden Bogens sprangen Wasserspeier hervor. Merrick suchte nach den verborgenen Gesichtern ...
    Da!
    Der Atem verharrte in seinen Lungen. Fasziniert vor Schrecken starrte er auf den Wasserspeier. Es handelte sich um den, der dem Opfer am nächsten war, in direkter Linie mit den Büschen. Er schien auf sie hinunterzusehen, grinsend und lasziv.
    Der weiße Kalkstein des Maules war rostrot eingefärbt.
    Merrick spürte, wie der Schrecken seinen Magen hinauf kroch. Seine Fingerspitzen pulsierten und begannen zu schmerzen. Er warf einen prüfenden Blick auf die Ansamm lung von Männern, die um die Büsche herum versammelt waren, um sicher zu sein, daß niemand zu ihm herübersah. Dann sprintete er über den Rasen und sprang die zwanzig Fuß bis zu einem schmalen, mit Schimmelflecken übersäten Sims hinauf. Er hielt sich am Metallbogen eines Fensters mit der einen Hand fest und fand mit der anderen zwischen den massiven Blöcken einen schmalen Spalt. Der Kalkstein fühlte sich bröckelig an. Mit in den Stein gekrallten Finger spitzen kletterte er an der Fassade der Kathedrale empor und ertastete sich seinen Weg bis zur Basis des Wasser speiers. Mit einer letzten Anstrengung zog er sich auf die horizontale Oberfläche, etwa fünfzehn Meter über dem Boden, hinauf. Der Wind heulte durch den steinernen Tun nel, und sein Mantel blähte sich auf. Er warf ein Bein auf den Wasserspeier und setzte sich rittlings auf ihn. Ganz nahe lehnte er sich an die verborgene Schnauze aus Stein und
    roch daran. Ja, getrocknetes Blut - von der toten Frau, da war er sicher.
    Merrick hatte eine düstere Vorahnung. Über den Baum wipfeln konnte er die langgezogene Steigung von Mount St. Albans sehen. Die Lichter aus den tiefer gelegenen Stadtteilen von Washington schimmerten in süßer Beschaulichkeit. Wüß ten die Leute dort unten, was sich mitten unter ihnen regte, sie würden nie gekannten Horror verspüren. Sie würden sich fürchten, nach draußen zu gehen, allein zu sein, ja, sie würden sich sogar davor fürchten einzuschlafen. Kein kranker Bastard, der sich selbst für einen Vampir hielt, nein! Und auch kein echter Vampir. Es gab keine Vampire. Was es aber gab, war unendlich gefährlicher als die Mythen, mit denen sich die Menschen unterhielten.
    Unten trat der Priester gerade aus der Menge zurück und blickte zu den Wasserspeiern hinauf. Merrick sammelte alle seine geistigen Kräfte, um den Priester unten zu beeinflussen, um den Blutzufluß der Kapillargefäße zu unterbinden, welche die visuellen Neuronen des Priesters speisten - er durfte ihn hier oben nicht entdecken! Eine Sekunde lang blickte der Priester zu ihm hinauf. Die starrenden Augen erfüllten Mer rick mit abergläubischer Furcht, obwohl er wußte, daß sie nur Stein sahen und daß der visuelle Kortex des Priesters den lee ren Platz mit Eindrücken aus der unmittelbaren Umgebung ausfüllte, wie das Auge dies ständig etwa bei toten Winkeln tat. Nach einer Minute schüttelte der Priester verwirrt den Kopf und wandte sich wieder dem Polizeiteam zu.
    Merrick schnüffelte weiter am blutigen Maul des Wasser speiers, und seine Vorahnung wurde intensiver. Warum hatte der Killer das Blut hier oben verschmiert? Die Leute seiner Art waren sonst eher darauf bedacht, Entdeckungen zu vermeiden. Sie griffen sich Ausreißer oder verwischten ihre Spur, indem sie sich Leichen aus Autounfällen suchten, oder sie vergruben ihre Opfer an Orten, wo sie niemals gefunden wur den. Aber dieses Mal nicht. Dieses Blut, so hoch oben, wie ein Mann noch ohne eine Leiter klettern konnte, bewies, daß die
    Leiche dort unten nicht das Werk eines durchschnittlichen Killers war.
    Merrick drückte die Handfläche gegen das dicke Maul des Wasserspeiers. Er zerrieb das getrocknete Blut zu einem dunklen Pulver, das der Wind davonwehte. Als nichts mehr übrig war bis auf eine leichte Verfärbung, die vom Boden her nicht zu sehen sein würde, kletterte der Lieutenant Detective vom Wasserspeier herunter und sprang auf halber Höhe hinab. Als er auf dem Boden aufkam, federte er sein Gewicht wie eine Katze mit den Beinen ab. Seine Knochen
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