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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht
Autoren: Steven Spruill
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sich der Verwesungsprozeß verlangsamt haben dürfte. Das Blut war trocken und braun. Die Frau könnte schon ein paar Tage dort liegen, schätzte Merrick. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde die Spur jetzt ein wenig kälter. Wenn aber Merricks Vermutungen über den Charakter des Mörders zutrafen, würde es bald weitere Opfer geben, weitere Spuren, denen nur er würde folgen können.
    Vom South Drive her näherte sich Scheinwerferlicht. Die Leute von der Spurensicherung - und dahinter der lange schwarze Chrysler des Chief Medical Examiner. Dr. John Byner glitt hinter dem Lenkrad hervor und kam, die medizi nische Notfalltasche in der Hand, mit langen Schritten über das Gras näher. Byner war ein kleiner, kräftig wirkender Mann mit den hängenden Schultern und den sparsamen
    Bewegungen eines Boxers. Er nickte dem Priester und Merrick zu. »Meine Herren. Eine stürmische Nacht. Ich glaube, der Winter versucht ein Comeback.«
    Merrick führte ihn zu dem Holunderbusch und zog den tief hängenden Ast beiseite, der die Leiche verbarg.
    »Warten Sie auf uns, Doktor.« Es war die Stimme eines Mannes vom Labor, der schnaufend den Hang hinaufeilte.
    »Natürlich«, sagte Byner, aber er wartete nicht. »Richten Sie die Taschenlampe mal auf ihren Nacken und ihre Schul tern.«
    Merrick folgte den Anweisungen.
    Byner fluchte, und Merrick sah den Ausdruck des Entset zens auf dem sonst stoisch ruhigen Gesicht des Leichenbe schauers.
    »Bedaure. Ich hätte Sie warnen sollen ...«
    Byner schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe schon früher Beißer gesehen, aber ...« Er räusperte sich und starrte auf den Boden innerhalb des Lichtkreises. »Was ich noch nie gesehen habe, ist eine derart weiße Haut. Er muß sie völlig ausgeblu tet haben. Aber warum ist dann das Gras so sauber? Sie könnte irgendwo anders getötet und hier abgeladen worden sein, wenn nicht...«
    Merricks Augen folgten dem Blick des Arzte*. Rings um den Nacken der Leiche wies das Gras einige wenige Blut flecken auf, aber nicht sehr viele.
    »Schwenken Sie die Lampe mal ein wenig umher.«
    Merrick suchte mit dem Strahl seiner Taschenlampe die Grasfläche um die Tote herum ab.
    Keine weiteren Blutspuren.
    »Verdammt«, sagte Byner. »Sie hat ganz klar noch geblutet, als sie fiel oder hierhingeschleppt wurde. Wo also ist der Rest?«
    Er hat es getrunken, dachte Merrick. Dann hat er abgelenkt, was am Gras hängengeblieben war. Trotz seines Widerwillens spürte er, wie ihn mehr und mehr der düstere Zwang zur Jagd überkam.
    Ein Psychopath, der sich für einen Vampir hielt, könnte von ihrem Blut gekostet haben, aber so viel hätte er nicht trin ken können. Wie viele Liter mochten es gewesen sein, bevor das Herz aufgehört hatte, es hinauszupumpen? Zwei, drei?
    Merrick rief sich zur Ordnung. Es war immer noch mög lich, daß es sich um einen >normalen< Killer handelte, dem es gelungen war, das Blut auf andere Weise aufzufangen und nur diesen kleinen Rest um ihren Hals herum zurückzulas sen ...
    Das Bild, wie das Blut hervorsprudelte, überkam Merrick. Er unterdrückte die Vision ganz schnell, aber in seiner Kehle kroch eine perverse Empfindung wie von Durst hoch. Ein hef tiger Drang, einfach zu fliehen, überfiel ihn. Er mußte ja nicht hier bleiben. Er konnte zu seinem Wagen gehen und in die Nacht hinausfahren und immer weiterfahren, bis die Stadt weiter hinter ihm lag.
    Dr. John Byner blickte zu ihm auf. »Denken Sie dasselbe wie ich? Daß dies derselbe kranke Bastard war wie damals vor zwölf Jahren?«
    Merricks erste Reaktion war, daß die Frage widersinnig sei. Der Killer von vor zwölf Jahren würde nie hierher zurückkeh ren ... aber das konnte Byner unmöglich wissen.
    »Das wäre möglich«, sagte Merrick, »aber ziehen wir lieber keine voreiligen Schlüsse.«
    »Genau.«
    Byner wandte sich wieder dem Leichnam zu und begann mit der peinlich genauen Untersuchung, die ihm die Pflicht gebot. Merrick starrte auf den Rücken des Pathologen hinun ter, unfähig, den Gedanken wieder loszuwerden, den Byner ihm eingepflanzt hatte. Der Killer von vor zwölf Jahren? Nein, unmöglich, und doch - dieser Gedanke blieb mit einer seltsamen, irrationalen Macht haften und ließ sich ihm die Nackenhaare sträuben.
    Merrick wich instinktiv von den Büschen zurück. Statt gegen diesen Drang anzukämpfen, zog er sich über den Rasen hinweg zurück, bis er sie alle sehen konnte, den Priester,
    Byner, der sich tiefer in die Holunderbüsche drängte, und seine Leute. Merrick drehte
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