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Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt

Titel: Söhne der Erde 16 - Der Riß In Der Welt
Autoren: Susanne U. Wiemer
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Deck kämpften die Männer einen verzweifelten Kampf gegen die entfesselte Hölle, einen Kampf, der ihnen von Minute zu Minute aussichtsloser erschien.
    Verbissen hangelte sich Charru an dem Tau entlang zu Camelo hinüber und packte mit zu.
    Schaum krönte den Kamm der Riesenwelle. Wenn sie sich brach, wenn die Wassermassen gleich einer gigantischen Raubtierpranke auf das Schiff und die Menschen niederschmetterte ...
    Jetzt wurde der Bug angehoben.
    Schräg kletterte das Fahrzeug an der Woge empor, bis die Masten die tief dahinjagenden Wolken aufzuspießen schienen. Einen schwindelerregenden Augenblick lang tanzte das Schiff zwischen Himmel und Meer, stürzte dann ins Bodenlose, tief hinunter in das brodelnde grüne Wellental, das es wie ein tückischer, klaffender Rachen zu verschlingen drohte.
    Charru taumelte gegen die Reling. Die Schlinge des Taus straffte sich, das ihn zusätzlich sicherte, selbst wenn seine Hände den Halt verloren. Schwindel packte ihn. Sein Magen drehte sich um, und er brauchte Minuten, um wieder zu Atem zu kommen.
    Täuschte er sich, oder hatte das Toben des Hexenkessels ringsum etwas nachgelassen?
    Der Sturm heulte wie ein Chor verdammter Seelen. Regen peitschte in Charrus Gesicht, alle paar Sekunden zerriß ein blau gleißender Blitz den Himmel, der Donner krachte fast ununterbrochen. Camelo, jetzt mit Karsteins Hilfe, zerrte immer noch an dem Tau, um die Rah in ihrer Stellung fast parallel zur Längsachse des Schiffs zu halten. Vorwärts kamen sie schon lange nicht mehr. Aber der Sturm, der schräg von vorn in die winzigen Notsegel fiel, verlieh ihnen so viel Fahrt, daß sie manövrieren konnten. Wenn der Wind gleichmäßig blies, ließen sich die Taue festzurren, mit denen die Rahen geschwenkt wurden. Aber jetzt waren die heulenden Böen schon ein paarmal umgesprungen, und jeder dieser jähen Richtungswechsel hätte das Ende bedeuten können, wenn die Terraner nicht seit Wochen mit dem Schiff vertraut gewesen wären.
    Aus den Augenwinkeln sah Charru eine Gestalt, die sich mühsam am Schanzkleid entlangkämpfte.
    Hakon! Seine lange strohfarbene Mähne flatterte, Wasser rann ihm über das verzerrte Gesicht. Keuchend hielt er eine gelbe Kapsel zwischen den Fingern hoch und versuchte, den Sturm zu überschreien.
    »Nimm das! Lara sagt, es hilft gegen die verdammte Schaukelei!«
    Gegen die Schaukelei würde es sicher nicht helfen, aber vielleicht gegen ihre Auswirkungen. Charru würgte mit Todesverachtung die Tablette hinunter und bemühte sich, sie im Magen zu behalten. Hakon hangelte sich weiter, von Mann zu Mann. Camelo sah kreidebleich aus und fühlte sich so offensichtlich schlecht, daß er die Kapsel widerspruchslos zwischen die Zähne schob. Karstein schüttelte entschieden seine struppige Mähne. Charru konnte nicht verstehen, was der Nordmann brüllte, aber etwas Freundliches war es bestimmt nicht.
    Stunden verrannen.
    Ewigkeiten, deren einziges Maß das Orgeln des Sturms und das Kochen der See war. Yattur schrie Befehle, die von Mund zu Mund weitergegeben werden mußten, um den Höllenlärm zu durchdringen. Immer wieder türmten sich gigantische Wellenberge und drohten das Schiff zu zerschlagen, immer wieder legte es sich auf die Seite und brauchte einen Alptraum von Zeit, um sich wieder aufzurichten. Charru zählte die Augeblicke nicht, in denen Schrecken seine Muskeln verkrampfte, um von schwindelerregender Erleichterung abgelöst zu werden, wenn ihr sturmgeschütteltes Gefährt dem sicher scheinenden Verhängnis einmal mehr in letzter Sekunde entging. Was unter Deck geschah, wagte er sich gar nicht erst vorzustellen. Er bewegte sich wie in einem wirren Traum, konzentrierte sich nur noch auf die Notwendigkeit, seine zitternden Muskeln zu bewegen, seine vibrierenden Nerven zu beherrschen, und es dauerte lange, bis ihm bewußt wurde, daß das Schiff schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Gefahr geraten war, zu kentern oder von überkommenden Brechern zerschlagen zu werden.
    Der Sturm flaute ab. Kaum merklich zuerst, dann ließ der Regen nach, und der Donner rollte seltener über die graue, wogende Wasserfläche. Die Wolkendecke riß auf, Streifen von klarem Blau erschienen. Immer noch türmte sich eine gefährlich steile Dünung. Aber der Wind fegte den Himmel frei, und die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne tauchten das Schiff in warmen goldenen Glanz.
    Im Laderaum herrschte Chaos, doch von ein paar blauen Flecken abgesehen war niemand verletzt.
    Erschöpfte Frauen und Kinder
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