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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen
Autoren: Deborah Crombie
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wie Gemma. »Lally, erinnerst du dich noch, wie du und Kit am zweiten Weihnachtstag Annie Lebow getroffen habt? War da Leo bei euch?« Als sie nickte, atmete er einmal tief durch und fragte: »Hat sie mit ihm gesprochen?«

    »Nein, nicht richtig.« Lally fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase. »Aber er schien es eilig zu haben wegzukommen. Ich dachte, er langweilt sich bloß. Er hält nicht viel von Erwachsenen.«
    Kincaids Gedanken jagten einander. Was, wenn es gar nicht Peter Llewellyn gewesen war, den Annie an jenem Abend auf dem Leinpfad gesehen hatte, sondern Leo Dutton? Leo, dessen Kleider durchnässt waren, weil er den anderen Jungen unter Wasser gedrückt hatte? Und was, wenn Annie ihn wiedererkannt und ihren Irrtum begriffen hatte? Gemma starrte ihn verwirrt an, doch er hatte nicht die Zeit für Erklärungen.
    »Lally, jetzt mal von vorn. Wenn du geglaubt hast, dass Leo etwas mit Peters Tod zu tun hatte, wieso hast du dann nichts gesagt?«
    »Weil ich mir nicht sicher war. Und dann, als ich anfing zu denken, dass … Ich habe ihm den Wodka gegeben. Leo hat gesagt … Ich wollte nicht …«
    Leo hatte ihr eingeredet, sie würde für Peters Tod verantwortlich gemacht werden, wenn sie versuchte, ihn zu belasten. So viel war klar. Kincaid hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, warum Leo Peter Llewellyn nach dem Leben getrachtet hatte oder warum er Kit etwas antun sollte. »Du hast gesagt, du hast Kit mit Leo allein zurückgelassen? Wo habt ihr ihn getroffen?«
    »Beim Viehstall. Aber da sind sie nicht. Leo wird ihn ins Clubhaus gebracht haben.«
    »Sag mir, wo das genau ist, dieses Clubhaus.«
    »Das ist auf dem Grundstück von Leos Vater, fast direkt am Kanal, aber man kann es nur sehen, wenn man weiß, dass es da ist. Leo sagt, es ist ein altes Mauthäuschen, aber ich kann mir nicht vorstellen, wieso man so weit weg von der Kanalmündung ein Mauthäuschen aufstellen sollte.«
    Einen Augenblick lang glaubte Kincaid die Stimme seines
Vaters aus der etwas pedantischen Erklärung des Mädchens herauszuhören, und er fühlte sich ihr plötzlich viel näher. »Es ist schon gut, Lally«, sagte er, womit er sich selbst nicht weniger zu beruhigen suchte als das Mädchen. »Wir werden sie finden.«
    Dann zückte er sein Handy und wählte Babcocks Nummer.
     
    Das Gebäude war nicht mehr als eine fensterlose gemauerte Zelle, vielleicht zweieinhalb Meter im Quadrat, mit einer kleinen Tür, die schief in den Angeln hing. Als Leo ihn energisch durch die Türöffnung schob, schlug Kit sich beinahe den Kopf am Sturz an. Erst als er drinstand, sah er, dass das halbe Dach fehlte. Im diffusen Licht der schneebeladenen Wolken, das durch die klaffende Lücke fiel, konnte er schemenhafte Umrisse erkennen.
    Leo klickte die Taschenlampe an, und die Schatten entpuppten sich als umgedrehte Kisten, die zusammen mit ein paar alten Decken eine Art Nest bildeten. »Setz dich«, sagte er in einem Ton, der keine Widerrede duldete. »Nicht sehr elegant, aber meins«, fuhr er fort, während Kit sich widerwillig auf einer der Kisten niederließ. »Ich glaube, nicht mal mein Vater weiß davon; er hat das Grundstück nie richtig erkundet. Dieses Gutsbesitzergetue ist reine Show. Gläser gibt’s leider keine«, fügte er hinzu, während er hinter einer der Kisten eine Flasche Wodka hervorzog. »Hau weg den Scheiß!«
    Er setzte sich neben Kit und nahm einen kräftigen Schluck, ehe er die Flasche weitergab. Kit setzte sie an, presste aber die Lippen zusammen, sodass nur wenig von der Flüssigkeit in seinen Mund rann. Sie schmeckte widerlich, wie Benzin, und er musste sich beherrschen, um nicht zu spucken.
    »Nicht schummeln«, sagte Leo. »Das ist ein teurer Wodka, kein Mundwasser. Schön schlucken.« Nachdem Kit einen weiteren kleinen Schluck hinuntergewürgt hatte, nahm Leo die Flasche zurück und trank wieder. »Ich hätte ja vielleicht was
gehabt, was mehr nach deinem Geschmack ist, wenn Lally meinen Vorrat nicht verschlampt hätte.«
    »Lally konnte nichts dafür.« Der Alkohol brannte wie Feuer in seinen Eingeweiden und machte ihn leichtsinnig. »Ihre Mutter hat sie nicht mal in die Nähe ihres Hauses gelassen.«
    »Verteidigst du sie schon wieder?« Leos Stimme war kalt. Kit wusste, dass er einen Fehler gemacht hatte, doch er starrte den anderen Jungen nur an und weigerte sich, klein beizugeben. »Sie hat es echt drauf, das unschuldige kleine Mädel zu spielen«, fuhr Leo fort, als dächte er laut nach. »Der gute alte Peter ist
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