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So will ich schweigen

So will ich schweigen

Titel: So will ich schweigen
Autoren: Deborah Crombie
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lachend. »Lally, Sam, kommt her und stellt euch richtig vor.« Sie legte eine Hand auf den Kopf des Jungen, als ob sie einen Springteufel in die Kiste zurückschieben wollte. »Das ist Sam, er ist zehn. Und das ist Lally«, fügte sie mit einem Blick auf das Mädchen hinzu, das immer noch auf einer der unteren Treppenstufen verharrte. »Sie dürfte nur ein paar Monate älter sein als Kit.«
    Zum ersten Mal wandte Gemma dem Mädchen ihre volle Aufmerksamkeit zu. Sie bemerkte zuerst den drei Zentimeter breiten Streifen nackter Haut am Bauch, dem Wetter zum
Trotz entblößt, dann das schulterlange dunkle Haar und das ovale Gesicht, die Lippen, die sich zu einem zaghaften Lächeln verzogen. Das Mädchen war eine Augenweide, von einer herzzerreißenden Schönheit, wie sie nur Mädchen in der ersten Blüte ihrer Weiblichkeit besitzen, an der Schwelle zwischen Unschuld und Erfahrung.
    »Hi«, sagte Lally und grinste, ein ganz normaler Teenager – und Gemma kehrte von ihren poetischen Höhenflügen auf den Boden zurück.
    »Alle mal herhören, das ist Jack!«, rief Sam, der die Stimme erheben musste, um das immer frenetischere Gebell aus dem Hinterzimmer zu übertönen. »Er ist unser Border…«
    In diesem Moment wurde er von einem dumpfen Schlag und einem Krachen unterbrochen, und gleich darauf kam ein schwarz-weißes Etwas über den Flur auf sie zugeschossen. »Border Collie«, vollendete Sam grinsend seinen Satz. »Er wird sauer, wenn er nicht überall dabei sein darf.«
    Tess sprang von Kits Arm und stürzte sich ins Getümmel, und die drei Hunde tobten umher, umkreisten und beschnüffelten sich, ein einziges wogendes Chaos auf zwölf Beinen.
    »Na, dann ist ja wohl alles klar«, sagte Rosemary in die plötzliche Stille hinein und beäugte die Hunde kritisch. »Ich hatte gedacht, wir sollten ihnen ein bisschen Zeit geben, sich miteinander vertraut zu machen, aber Jack scheint der Ansicht zu sein, dass solche Formalitäten überflüssig sind.« Sie nahm Gemma und den Jungen die Jacken ab, um sie an die ohnehin schon überladene Garderobe zu hängen, und ging voran in Richtung Küche.
    Sam redete inzwischen auf Toby ein. »Wir haben hier auch Gänse. Und Ponys. Willst du sie nachher sehen? Wie heißen eure Hunde? Ich mag den Kleinen – der ist süß.«
    Toby gab bereitwillig Antwort – oder versuchte es wenigstens, wenn er in dem Fragengewitter einmal zu Wort kam -,
doch Gemma fiel auf, dass Kit, der neben Lally ging, kein Wort sprach. Sie konnte es ihm nicht verdenken, dass er es ein wenig einschüchternd fand, so viele neue Familienmitglieder auf einmal kennenzulernen, doch sie hoffte, dass er sich bald entspannen würde.
    Als sie zur Küche kamen, sahen sie, dass Jack sich mit solcher Wucht gegen die Tür geworfen hatte, dass sie aufgesprungen und gegen die Wand geknallt war, wovon nun eine kleine Delle im Putz der Flurwand zeugte. Rosemary brummte etwas halblaut vor sich hin – es klang wie »dummer alter Hund« – und scheuchte sie dann alle in die Küche, so resolut, als wäre sie selbst der Hütehund.
    Gemma sah sich entzückt um. Der Raum war eher breit als tief, und sie vermutete, dass er fast den ganzen hinteren Teil des Erdgeschosses einnahm. Zur Linken war der Kochbereich, dominiert von einem beigefarbenen Herd und einem alten Spülbecken aus Speckstein. In offenen Regalen stand eine Sammlung von tiefkobaltblauem Porzellan mit Calico-Design, daneben einige Teile in anderen blau-weißen Mustern, die Gemma noch nicht kannte. Zur Rechten stand ein langer Tisch aus gebürstetem Kiefernholz mit Stühlen aus dem gleichen Material. Die Sitzkissen hatten Bezüge mit blauem und cremefarbenem Blumenmuster. In der hinteren Wand war eine Nische für Brennholz, daneben ein kleiner Holzofen. Der Duft nach frischem Gebäck war so intensiv, dass einem das Wasser im Mund zusammenlief, und Gemma merkte plötzlich, dass sie einen Bärenhunger hatte.
    Während Hugh Holz nachlegte, füllte Rosemary zwei Teekannen mit kochendem Wasser aus dem Kessel, der auf dem Herd stand. Dann zog sie ein Blech voller Scones aus dem Warmhaltefach. »Du magst doch sicher keine Scones«, sagte sie zu Kit, der in ihrer Nähe stand, »oder selbst gemachte Pflaumenmarmelade oder diese fette, ungesunde Clotted Cream?«

    »Doch, natürlich«, protestierte Kit. Dann erwiderte er ihr Lächeln und fragte: »Kann ich dir helfen?«
    Gemma stieß einen kleinen Seufzer der Erleichterung aus, als Kit seiner Großmutter half, Teller und Tassen zum Tisch
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