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So wahr uns Gott helfe

So wahr uns Gott helfe

Titel: So wahr uns Gott helfe
Autoren: Michael Connelly
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des Beratungszimmers marschierten. Nachdem sie den Saal verlassen hatten, dankte der Richter Golantz und mir für unser professionelles Verhalten während des Prozesses. Anschließend sprach er noch dem Gerichtspersonal seinen Dank aus und erklärte dann die Sitzung für geschlossen. Da ich meine Unterlagen gar nicht erst aus meinem Koffer geholt hatte, stand ich eine ganze Weile einfach nur tatenlos da, nachdem der Richter den Saal verlassen hatte. Ich wurde erst aus meinen Gedanken gerissen, als Golantz mit ausgestreckter Hand auf mich zukam. Ohne zu überlegen, ergriff ich sie und schüttelte sie.
    »Nichts für ungut, Mickey. Sie sind ein verdammt guter Anwalt.«
    War, dachte ich.
    »Ja«, sagte ich. »Nichts für ungut.«
    »Bleiben Sie noch ein bisschen hier, um mit den Geschworenen zu reden, in welche Richtung sie tendiert haben?«, erkundigte er sich.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, das will ich gar nicht wissen.«
    »Ich auch nicht. Dann alles Gute.«
    Er klopfte mir auf die Schulter und ging durch die Schranke. Ich war sicher, dass draußen auf dem Flur ein riesiges Medienaufgebot wartete, dem er vermutlich erzählen würde, dass seiner Meinung nach der Gerechtigkeit auf verschlungenen Wegen doch noch zum Sieg verholfen worden sei. Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen. Oder irgendetwas in diesem Sinn.
    Sollte er die Medien ruhig für sich allein haben. Ich gab ihm einen ordentlichen Vorsprung, bevor auch ich den Saal verließ. Draußen auf dem Flur war er bereits von Reportern umringt, daher gelang es mir, mich an der Wand entlang unbemerkt zu verdrücken. Nur Jack McEvoy von der Times erspähte mich und heftete sich an meine Fersen. Er holte mich ein, als ich den Zugang zum Treppenhaus erreichte.
    »Hallo, Mick!«
    Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, blieb aber nicht stehen. Aus Erfahrung wusste ich, dass man das auf keinen Fall tun durfte. Gelingt es einem dieser Pressefritzen, dich festzunageln, stürzt automatisch der Rest der Meute hinterher und lässt dich nicht mehr aus den Klauen. Und ich hatte keine Lust, mich auffressen zu lassen. Ich stieß die Tür zum Treppenhaus auf und eilte nach unten.
    »Kein Kommentar.«
    Er wich nicht von meiner Seite.
    »Ich schreibe nicht über den Prozess. Ich berichte über die neuen Morde. Was meinen Sie, könnten wir es dabei nicht genauso halten wie bisher? Sie wissen schon, wir tauschen gegenseitig Informationen …«
    »Keine Abmachungen, Jack. Und kein Kommentar. Wir sehen uns später.«
    Mit ausgestreckter Hand stoppte ich ihn auf dem ersten Treppenabsatz. Er stand immer noch dort, als ich zwei Etagen tiefer auf den Flur trat. Ich marschierte zu Richterin Holders Gerichtssaal und öffnete die Tür.
    Michaela Gill saß auf dem Platz der Protokollführerin, und ich fragte sie, ob ich die Richterin ein paar Minuten sprechen könne.
    »Aber ich habe hier keinen Termin für Sie vorgemerkt«, sagte sie.
    »Ich weiß, Michaela, aber ich glaube, die Richterin würde mich trotzdem gern sehen. Ist sie hinten? Könnten Sie ihr sagen, dass ich sie keinesfalls länger als zehn Minuten in Anspruch nehme? Sagen Sie ihr, es geht um die Vincent-Akten.«
    Die Protokollführerin griff nach dem Telefon, drückte auf einen Knopf und leitete meine Bitte an die Richterin weiter. Dann legte sie auf und teilte mir mit, ich könne sofort ins Richterzimmer gehen.
    »Danke.«
    Die Richterin saß mit der Lesebrille auf der Nase und einem Stift in der Hand da, als hätte ich sie beim Unterzeichnen eines richterlichen Beschlusses gestört.
    »Na, Mr. Haller«, begrüßte sie mich. »Das war ja vielleicht ein ereignisreicher Tag. Nehmen Sie Platz.«
    Ich setzte mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
    »Danke, dass Sie sich Zeit für mich nehmen.«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Sie stellte die Frage, ohne mich anzusehen, und begann, eine Reihe von Dokumenten zu unterzeichnen.
    »Ich wollte Sie lediglich darüber in Kenntnis setzen, dass ich die restlichen Vincent-Fälle als Anwalt abgeben werde.«
    Nun legte sie doch den Stift beiseite und musterte mich über ihre Brille hinweg.
    »Wie bitte?«
    »Ich höre auf. Ich bin zu früh wieder eingestiegen oder hätte vielleicht gar nicht wieder einsteigen sollen. Ich will nicht mehr.«
    »Das ist doch vollkommen absurd. Ihre Verteidigung von Mr. Elliot war Gesprächsthema Nummer eins hier im Gericht. Ich habe Teile davon im Fernsehen verfolgt. Sie haben Mr. Golantz richtig vorgeführt, und ich glaube nicht, dass es
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